Le Mans. Ferdinand Piëch wird die Regel zugeschrieben, in Le Mans sollte man besser mit drei Autos antreten: Bekommt einer technische Probleme und hat der andere einen Unfall – beides nicht unwahrscheinliche Szenarien beim härtesten 24-Stunden-Rennen der Welt – bleibt immer noch einer, der siegen kann. Hätten Toyota und Porsche diese Regel beherzigt, die Japaner könnten den Siegerkranz tragen und Porsche beim ersten Le-Mans-Einsatz seit 16 Jahren auf dem Treppchen gelandet sein. Doch so kam alles ganz anders.
Es siegte erneut Audi – das dritte Mal in Folge und das dreizehnte Mal insgesamt.
Dennoch war es das spannendste und härteste 24-Stunden-Rennen seit Jahren. Denn Audi startete in diesem Jahr nicht als Favorit: „Das Reglement wurde mehrfach geändert – nicht unbedingt zu unserem Vorteil“, sagte Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg noch während des Rennens.
Die drei Teams in der höchsten Rennklasse LMP1 traten mit Hybrid-Rennwagen an. Anders sind die strengen Verbrauchsgrenzen von unter vier Litern pro Runde nicht einzuhalten. Selbst nicht für die sparsamen Diesel, die Audi ins Feld schickte. Doch während die Benzin-Hybride von Toyota und Porsche sechs Megajoule an elektrischer Energie speichern durften, wurden den Audi-Rennern nur zwei Megajoule zugestanden. Ein weiterer Vorteil für die Benzin-Konkurrenz, mehr Treibstoff mitnehmen zu dürfen, wurde noch Anfang April weiter zu Ungunsten von Audi verstärkt. Der Veranstalter ACO wollte offensichtlich nicht schon wieder Audi siegen sehen. Spätestens danach rechneten die Ingolstädter nicht mehr mit einem Sieg. Piëch soll über die Regeländerung alles andere als amüsiert gewesen sein und ein Dinner mit dem Veranstalter ACO verärgert abgesagt haben. Auch wenn durch das Reglement auch eine Marke bevorzugt wurde, der er 1970 den ersten Gesamtsieg ermöglichte: Porsche mit dem 917, der legendären Konstruktion aus Piëchs Feder.
Die ersten 14 Stunden des Rennens sollten den Pessimisten unter den Audianern recht geben: Nach einem Unfall zwischen einem der zwei Toyota und einem der drei Audi, lag der Japaner mit der Startnummer 7 vorn – und schien das Rennen zu kontrollieren. Verbesserten die zwei verbliebenen Audi auf Platz zwei und drei ihre Rundenzeiten, fuhr auch der führende Toyota schneller. Doch um 5 Uhr morgens war plötzlich alles anders: Der führende Toyota rollte im Streckenabschnitt Arnage langsam aus. Ein defekter Sensor des höchst komplexen Hybrid-Antriebs hatte einen Kabelbrand in der Motorsteuerung verursacht. Der reparierte Unfallwagen der Japaner schaffte es am Ende immerhin noch auf Platz drei.
Noch mehr Pech hatte Porsche: Das Debüt nach sechzehnjähriger Le-Mans-Abstinenz roch keine zwei Stunden vor Rennende noch nach Sensation, fuhren die beiden 919 Hybrid doch immer vorne mit. Ausgerechnet ein Teil der erprobten Mechanik – das Getriebe – ließ dann alle Träume platzen. Zunächst rollte Mark Webber mit seinem 919 an die Box. Wenig später hatte auch der zweite Porsche Getriebeschaden. Ein bitteres Aus, hatte ein 919 Hybrid doch zeitweise in Führung gelegen, als die Audi von Turbo-Schäden geplagt wurden. Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz nahm es sportlich: „Wir können das Schlachtfeld Le Mans mit erhobenem Haupt verlassen. Die Arbeit am 2015er Rennwagen hat bereits begonnen.“
So gingen nach 24 Stunden zwei Audi als erste durchs Ziel: Das Auto von André Lotterer, Benoit Tréluyer und Marcel Fässler siegte mit drei Runden Vorsprung vor dem Schwesterwagen von Tom Kristensen, Marc Gene und Lucas di Grassi.
Dass nun drei starke Marken um die Krone im Langstrecken-Klassiker streiten, tut dem Rennen sichtbar gut: 263.000 Zuschauer sahen einen 24-Stunden-Krimi, so viele wie seit 20 Jahren nicht mehr.
Auch Ferdinand Piëch und seine Frau Ursula beobachteten das spannende Rennen in Le Mans mit wachsendem Vergnügen. Kein Wunder: Der VW-Patriarch hatte am Ende mal wieder recht behalten.