München. Der italienische Autobauer Fiat nimmt weiter Abstand von seinem vor zweieinhalb Jahren verkündeten Investitionsplan und verärgert damit die Gewerkschaften und die Politik. Das berichtet die "Financial Times Deutschland".
Im April 2010 hatte Fiat-Chef Sergio Marchionne auf einem Investorentag den Fünfjahresplan des Herstellers skizziert. Ein wesentlicher Punkt: Die Milliardeninvestition in die Heimat. Bis 2014 sollten zwei Drittel der 26 Milliarden Euro an Gesamtinvestitionen nach Italien fließen, zusätzlich waren vier Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung vorgesehen. Der Plan "Fabbrica Italia" war geboren. "Damit unterstreichen wir, dass die Wurzeln unserer Gruppe in Italien sind und bleiben. Wir beabsichtigen, sie zu stärken", erklärte Sergio Marchionne damals.Heute klingt das ganz anders. "Seit der Ankündigung von 'Fabrica Italia' haben sich die Dinge grundlegend verändert. Der europäische Automarkt ist in eine tiefe Krise gerutscht, die Verkaufszahlen in Italien bewegen sich auf dem Niveau der 70-er Jahre." Deshalb hat Sergio Marchionne den Plan mittlerweile für hinfällig erklärt. Seiner Meinung nach sei es das Recht und die Pflicht eines "multinationalen Unternehmens", seine industriellen Entscheidungen "rational und in voller Autonomie" zu treffen. Außerdem verweist er darauf, dass "Fabbrica Italia" nicht mehr als eine "Initiative" gewesen sei.Fiat legt "Fabbrica Italia" endgültig ad acta
Die Gewerkschaften, Politiker und Mitarbeiter sehen das angesichts der schwierigen Lage in Italien anders. Die Arbeitslosenquote liegt bei 10,6 Prozent, Fiat gilt nach wie vor als wichtigster privater Arbeitgeber. Der Fiom-Gewerkschaftsführer Maurizio Landini spricht in der "Financial Times Deutschland" von einem ernsten Problem und macht sich für einen Krisengipfel mit der Regierung stark. "Die Regierung und die Politik müssten darüber diskutieren, wie wir es verhindern können, dass unser System implodiert und weitere Arbeitsplätze verloren gehen". Ähnlich besorgt ist auch Stefano Fassina, wirtschaftspolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Partei PD. "Man ist jetzt geneigt zu fragen, ob das Programm 'Fabbrica Italia' überhaupt jemals existiert hat".
Im Oktober vergangenen Jahres hatte Fiat mitgeteilt, den Begriff "Fabbrica Italia" nicht länger verwenden zu wollen. Stattdessen hatte sich Sergio Marchionne seitdem regelmäßig über die schwache Auslastung der Werke beklagt und mit zwei Werksschließungen gedroht. Kritiker werfen Fiat vor, den Plan nur ins Leben gerufen zu haben, um die Mitarbeiter zu motivieren und um Veränderungen durchsetzen zu können. Die Mitarbeiter gehen noch einen Schritt weiter - sie werfen ihrem Arbeitgeber Verrat vor. Schließlich hatten die Beschäftigten in Pomigliano und Mirafiori im März 2011 einen neuen Tarifvertrag unterschrieben. "Wir haben damals mit Ja gestimmt. Und jetzt ändert Fiat einfach die Spielregeln. Hatten doch die Recht, die damals gegen den neuen Tarifvertrag waren?", fragt sich ein Fiat-Mitarbeiter. Wegen der defizitären Lage in Europa und im Nahen Osten hatte Sergio Marchionne jüngst angekündigt, die Einführung neuer Modelle verschieben zu wollen. Betroffen ist unter anderem der Nachfolger des Fiat Punto. Gleichzeitig denken die Verantwortlichen aber laut darüber nach, ein zweites Werk in China hochziehen zu wollen. Dort produziert der italienische Autobauer gemeinsam mit seinem Partner Guangzhou Auto den "Viaggio".