München. Die höchst unterschiedlichen Prämienhöhen zeigen, dass sich in der Autoindustrie eine Zweiklassengesellschaft gebildet hat. Die guten Ergebnisse der Premiumautobauer verstellen nicht nur den Blick auf die darbenden Volumenhersteller wie Fiat, Opel, Ford und PSA, sondern auch auf die Zulieferindustrie, die größtenteils unter der schwächelnden Autokonjunktur in Europa leidet. „Das Jahr 2013 wird das schlechteste Autojahr der letzten 30 Jahre in Westeuropa“, warnt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen. Zum Konjunktur- kommt noch der Preisdruck. Denn viele Autohersteller haben es auf die Marge ihrer Lieferanten abgesehen. Folge sind Werksschließungen und Verlagerungen in der Zulieferindustrie.
Während jedoch das Ende des Opel-Werks in Bochum die Schlagzeilen beherrscht, sterben deren Fabriken oft einen stillen Tod. Selbst Unternehmen wie Schaeffler, die zu den bestverdienenden ihrer Branche zählen, müssen diesen Schritt gehen. Der Zulieferer hat angekündigt, die Radlagerproduktion in Schweinfurt einzustellen und ins kostengünstigere Ausland, voraussichtlich Tschechien, zu verlagern. „Der Wettbewerbs- und Kostendruck ist enorm“, begründet dies ein Sprecher des Zulieferers. Die Kostenstruktur in Deutschland lasse kein Neugeschäft mit Radlagern mehr zu. In den kommenden zwei bis drei Jahren sollen rund 600 der knapp 900 Stellen entfallen. Ende März 2014 will Mahle die Produktion im Werk in Ingersheim (Elsass) auslaufen lassen. Der Zulieferer geht davon aus, dass die Nachfrage nach Alu-Kolben in Europa in den kommenden Jahren schwach bleiben wird. Auch der Abgas- und Heizungsspezialist Eberspächer stellt seine europäischen Werke auf den Prüfstand. Die Neuausrichtung trifft zunächst das verlustreiche saarländische Abgastechnik-Werk Neunkirchen, wo 300 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Und Fehrer will Anfang 2014 den Produktionsstandort in Markranstädt bei Leipzig stilllegen und auch die Fertigung am Stammwerk des Zulieferers in Kitzingen mit 400 Mitarbeitern bis Ende 2014 auslaufen lassen. Fehrer-Betriebsratschef Holger Lenz und Walther Mann, Vorstand der IG Metall Würzburg, kritisieren, dass die Margen der Zulieferer immer weniger zum Überleben ausreichen. „Leider sind Entwicklungskompetenz, Qualität und Liefertreue keine Argumente mehr, Aufträge in Deutschland platzieren zu können.“ Harald Marquardt, Chef des Elektronikspezialisten Marquardt, sagt: „Der Preisdruck ist immens, mehr geht nicht.“ Er bemängelt, dass im Metalltarif einfache Tätigkeiten extrem teuer sind. In Osteuropa ließen sich so von einem deutschen Lohn acht Mitarbeiter bezahlen. „Das rechnen uns unsere Kunden auch vor.“Nach Einschätzung von Andreas Dinger, Automobilexperte und Partner bei der Unternehmensberatung Boston Consulting, geraten die europäischen Zulieferer von zwei Seiten unter Druck: Neben dem Problem durch geringere EU-Produktionsvolumen, die sich pro Jahr für die EU-Zulieferer aktuell zu einem Renditerisiko von fünf Milliarden Euro addieren, hält auch der Preis- und Kostendruck der Fahrzeughersteller unverändert an. Dinger: „Die ambitionierten Profitabilitätsprogramme der Fahrzeughersteller sorgen dafür, dass zusätzlicher Preisdruck an die Zulieferer weitergegeben wird.“ Auf europäische Kunden fokussierte Zulieferer bis zu einem Jahresumsatz von einer Milliarde Euro sind besonders gefährdet. Sie müssen einerseits in Asien investieren, um vom dortigen Wachstum zu profitieren, andererseits ihr europäisches Geschäft konsolidieren und optimieren. Dinger hat durchaus Verständnis für das vorsichtige Verhalten einiger Zulieferer hierbei, denn bei der Internationalisierung hätten viele Unternehmen Lehrgeld bezahlt. Er sieht für die meisten Unternehmen keine Alternative, als das Europa-Geschäft zu restrukturieren und „dem Ernst der Lage“ anzupassen. „Langfristig rechne ich mit einem Verdrängungswettbewerb.“ Auch Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender des Dichtungsanbieters ElringKlinger, geht davon aus „dass wir in den kommenden fünf bis sieben Jahren eine deutliche Konsolidierung in der Zulieferbranche sehen werden“. Auch er spricht von einer „Zweiklassengesellschaft“.Zudem gewinnen neue Wettbewerber aus den Schwellenländern über die Wachstumsdynamik in Asien an Stärke. Zwar seien viele Zulieferer in China noch sehr fragmentiert und treten als reine Komponentenhersteller auf. Zudem fehle häufig auch das Wissen, wie man mit einem Fahrzeughersteller zusammenarbeiten müsse, aber das könne sich schnell ändern, warnt Dinger eindringlich. „Europa- und Asien-Geschäft müssen unterschiedlich gesteuert werden“, ist er überzeugt. Beim Zulieferer Continental wurden bereits die Konsequenzen gezogen. Ralf Cramer wird ab August für das China-Geschäft der Hannoveraner zuständig sein. Dafür wurde bei den Hannoveranern eigens ein Vorstandsposten geschaffen. Conti konnte seinen Beschäftigten für 2012 immerhin 900 Euro Erfolgsprämie zahlen.Zweiklassengesellschaft
Die Prämienausschüttungen der deutschen Fahrzeughersteller haben in diesem Jahr für Feierlaune bei den Beschäftigten gesorgt. Porsche hat seinen Tarif-Mitarbeitern eine Erfolgsprämie in Höhe von 8111 Euro gezahlt, Audi lag mit 8030 Euro nur knapp darunter. Auch Volkswagen und BMW schütteten noch über 7000 Euro aus. Die Sonderzahlungen der Zulieferer fallen da wesentlich bescheidener aus, wenn es überhaupt welche gibt. Beim weltgrößten Zulieferer Bosch hat sich der Bonus für die Mitarbeiter in Deutschland halbiert. Sie erhalten für 2012 nur noch 16,8 Prozent eines Monatsgehalts als Prämie. Für 2011 hatte es noch 36 Prozent gegeben.