Stuttgart. In drei Jahren werden Zulieferer bereits 75 Prozent der Wertschöpfung an einem Fahrzeug erbringen. Vom Outsourcing profitieren werden dem Unternehmensberater Andreas Baier zufolge besonders Auftragsfertiger und Ingenieurdienstleister. Allerdings sollten bestimmte Steuerungsprozesse im Unternehmen bleiben, um den Abfluss des Know-hows zu verhindern, so der Automobilexperte.
Herr Baier, häufig verebben Management-Trends schnell. Wann ist der Outsourcing-Hype vorbei?
Das Thema Outsourcing ist keine Modeerscheinung, sondern ein adäquater Weg, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Ich bin mir sogar sicher, dass sich die Aktivitäten auf diesem Gebiet eher noch verstärken werden. Die Wertschöpfung der Autohersteller wird weiter sinken und auf die Zulieferer verlagert. Wir gehen davon aus, dass bereits in drei Jahren die Zulieferer rund 75 Prozent der Wertschöpfung auf sich vereinigen und so immer mehr zu kleinen Autoherstellern werden.
Welche Faktoren bestimmen die Zukunft der etablierten Automobilhersteller besonders?
Durch die nachlassende Nachfrage in den klassischen Märkten USA, Europa und Japan können etablierte Hersteller nur in den Emerging Markets wachsen. Eine weitere, nicht zu unterschätzende Herausforderung wird der steigende Wettbewerbsdruck durch den Markteintritt der neuen chinesischen Autohersteller außerhalb ihres Heimatmarktes sein. Darauf müssen die etablierten Konzerne die richtigen Antworten haben. Insgesamt wird die Automobilindustrie in Zukunft noch stärker durch Innovationen getrieben, die in immer kürzeren Abständen umgesetzt werden.
Was müssen die Unternehmen Ihrer Ansicht nach also tun?
Um mit den neuen Billiganbietern mithalten zu können, wird der Einkauf in Niedriglohnländern künftig weiter zunehmen. Dies wird auch Low-Cost-Country-Sourcing genannt. General Motors hat sich etwa zum Ziel gesetzt, bis 2010 rund zehn Prozent seiner Zulieferteile aus Indien zu beziehen. Ein künftiger Trend wird mit Sicherheit auch das Outsourcing von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben sein, um mit dem schnellen Innovationstempo der Branche mithalten zu können.
Wo sehen Sie künftig die Kernkompetenzen der Hersteller?
Ich glaube, dass die Autohersteller einen ausgewogenen Mix von Eigenproduktion und Auftragsherstellung brauchen. Dabei wird sich die Wertschöpfung stärker auf Bereiche reduzieren, die eine hohe Bedeutung für die Marke haben. Gleichzeitig werden sich die Automobilkonzerne stärker auf Funktionen konzentrieren, die der Produktion nachgelagert sind - wie Vertrieb, Service, Ersatzteile, Finanzdienstleistungen oder Kundenbetreuung.
Lässt sich damit denn genügend Geld verdienen?
Schon heute machen die Hersteller bis zu 80 Prozent ihres Gewinns mit diesen sogenannten Downstream-Geschäften. Besonders lukrativ ist dabei der Markt für Ersatzteile und für Finanzdienstleistungen, der deutlich zweistellige Gewinnmargen erreicht.
Wer wird von dem Outsourcing-Trend besonders profitieren?
Da wir beim Antrieb und der Karosserie das größte Potenzial für weiteres Outsourcing sehen, werden Zulieferer, die in diesen Bereichen gut aufgestellt sind, am stärksten profitieren. Auch Auftragsfertiger, die sich auf Montage und Ingenieurleistungen spezialisiert haben, wie Magna Steyr oder Karmann, werden künftig gute Geschäfte machen.
Wann würden Sie von einer Fremdvergabe abraten?
Ein häufig begangener Fehler sind Outsourcing-Entscheidungen, die getroffen wurden, ohne wirklich die Gesamtkosten zu betrachten, das heißt, nicht alle relevanten Kosten zu berücksichtigen. Dann passiert es häufig, dass die verlagerten Funktionen mit hohem Kostenaufwand wieder zurück ins Unternehmen geholt werden, weil Outsourcing nicht den erhoffen Erfolg gebracht hat.
Welche generellen Risiken entstehen durch das Outsourcing und wie kann sich ein Unternehmen davor schützen?
Ich glaube, viele Unternehmen haben Angst davor, von bestimmten Zulieferern abhängig zu werden. Außerdem gibt es immer wieder Befürchtungen, dass Know-how verloren geht und Risiken bei der Planung und der gewünschten Qualität auftauchen könnten. Wir teilen diese Befürchtungen nicht. Diese Risiken können minimiert werden, wenn man die Aufträge besser streut, also zum Beispiel verschiedene Zulieferer für gleiche Teile beauftragt. Beim Know-how-Verlust und den Planungs- und Qualitäts-Risiken kann ebenfalls einiges getan werden - indem etwa bestimmte Steuerungsprozesse und Kernkompetenzen im Betrieb gehalten werden.