Wir haben uns trotz eines nicht einfachen Umfelds relativ schnell konsolidiert und haben seit Ende April mit den Banken eine klare mittel- und langfristige Finanzplanung verabschiedet. Dabei hat sicher die Bürgschaft des Landes Baden-Württemberg über 20 Millionen Euro eine wichtige Rolle gespielt. Unsere Eigenkapitalquote ist zwar nicht mehr auf dem Niveau von 2007, aber immer noch auf einer befriedigenden Höhe. Entscheidend ist, dass die gewonnenen Aufträge und damit die künftigen Umsätze durchfinanziert sind.
"Wir wollen 2010 wieder in die Gewinnzone kommen."
Nach großen Absatzrückgängen im ersten Quartal verzeichnen wir seit April wieder stabile Abrufzahlen. Im Gesamtjahr rechnen wir mit einem Umsatzrückgang in der Getrag Corporate Group von rund 20 Prozent auf zwei Milliarden Euro. Operativ werden wir Verluste schreiben. Dazu kommen Sonderbelastungen wie Restrukturierungkosten. Dabei werden vor allem Abschreibungen auf die geplatzte Getriebefertigung mit Chrysler zu Buche schlagen. Wir wollen aber 2010 operativ und gesamtheitlich wieder in die Gewinnzone kommen. Im Jahr 2011 rechnen wir mit einem moderaten Umsatzwachstum.
Die Restrukturierung in Deutschland läuft planmäßig. Durch den Abbau von 345 Stellen haben wir einen großen Teil der Überkapazitäten bereits angepasst. Weil sich der Markt aber noch schlechter entwickelt hat als von uns angenommen, nutzen wir darüber hinaus flexible Arbeitsmarktinstrumente wie Kurzarbeit, um über die Delle zu kommen. Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten oder spätestens im übernächsten Jahr wieder Vollbeschäftigung erreichen.
Falls möglich versuchen wir, strukturell nicht notwendige Anlagen in Länder zu transferieren, wo Wachstum stattfindet, zum Beispiel nach China. Dadurch können wir zwischen fünf und zehn Prozent der Investitionen in neuen Werken vermeiden.
Wir investieren bereits seit rund drei Jahren zwischen sieben und zehn Prozent des Umsatzes in F+E. Das liegt deutlich über dem Branchenschnitt von rund fünf Prozent. Wir glauben , dass angesichts der Hybridisierung und Elektrifizierung des Antriebsstrangs ein höherer Aufwand notwendig ist. Das wird wahrscheinlich auch noch einige Jahre so bleiben. Da die zukünftigen Umsätze bei den neuen Technologien steigen werden, nehmen die Entwicklungskosten im Verhältnis zum Umsatz ab.
Mit unserem Einsatz haben wir so zum Beispiel die Basis für die weltweite Einführung von modernen Doppelkupplungsgetrieben geschaffen, die in unserer mittelfristigen Wachstumsplanung eine zentrale Rolle spielen. Es dürfte kein Unternehmen weltweit geben, das über ein breiteres Produktportfolio verfügt.
Das Doppelkupplungsgetriebe wird den Wandlerautomaten nicht vollständig ablösen, auch nicht das CVT. Es wird aber massive Verschiebungen geben. Allein unser Auftragbestand liegt bei einer Million Doppelkupplungsgetriebe im Jahr 2013. Zum Vergleich: Dieses Jahr werden wir 100.000 Einheiten bauen, im Jahr 2010 schon zwischen 400.000 und 430.000. Und zwar für alle Arten von Anwendungen und Marktsegmenten. Regional sehen wir großes Potenzial in Nordamerika, wo wir mit unserem Kooperationspartner Ford zum ersten Mal eine Alternative zum Wandler anbieten werden. Auch in Europa sehen wir gute Chancen. Erst vor kurzem haben wir einen französischen Automobilhersteller als Kunden gewonnen. In Asien, speziell in China, werden Doppelkupplungsgetriebe aus Emissionsschutzgründen sogar von der Regierung gefördert.
Ohne Zweifel hat der Wandler unter anderem durch den Wettbewerb mit den Doppelkupplungsgetrieben in jüngster Zeit nochmals aufgeholt. Dennoch wird das Doppelkupplungsgetriebe immer eine Kraftstoffersparnis von vier bis acht Prozent ausweisen. Das ergibt sich aus der Technologie und ist nachweisbar. Während der Wandler nach vielen Jahrzehnten bald keine großen Verbesserungspotenziale mehr vorweisen dürfte, ist das Doppelkupplungsgetriebe erst am Anfang. Ich bin sicher, dass sich beim Verbrauch und den Kosten noch deutliche Einsparungen realisieren lassen.
Da wir beim Doppelkupplungsgetriebe noch ganz am Anfang sind, gibt es auf der Zulieferseite bei wesentlichen und werthohen Bauteilen noch viele monopolistische Strukturen. Unser Ziel als Getrag ist es, für ein höheres Volumen insgesamt und für mehr Wettbewerb zu sorgen. Es ist zum Beispiel auch möglich, dass wir in bestimmte Zuliefersegmente selbst einsteigen, das heißt unsere Wertschöpfung erweitern, falls dort kein Wettbewerb in Gang kommt. Dies alles wird sich positiv auf die Kosten auswirken. Darüber hinaus gibt es weitere Ansatzpunkte ...
Ein Doppelkupplungsgetriebe kann man per Software auf die Wünsche des jeweiligen Kunden abstimmen. Im Gegensatz zum Wandler müssen keine mechanischen Teile getauscht werden, damit es der gewünschten Markenpositionierung – etwa eher sportlich oder eher komfortorientiert – entspricht. Wir können also Doppelkupplungsgetriebe grundsätzlich als globale Plattform nutzen und mit überschaubarem Aufwand an die Kundenwünsche anpassen. Das spart Entwicklungskosten für alle Beteiligten. Das Getriebe kann auch in einem weltweiten Fertigungsverbund produziert werden. Bestes Beispiel hierfür ist unser trockenes Doppelkupplungsgetriebe, das weltweit für mehrere Kunden entwickelt und industrialisiert wird. Ein weiterer Vorteil: Es eignet sich vor allem für Hybridfahrzeuge.
Wir werden auf der IAA einen Mini Clubman zeigen, der zwei gemeinsam entwickelte Konzepte beinhaltet: Im Vorderwagen setzen wir auf ein hybridisiertes, trockenes Doppelkupplungsgetriebe, das vom Verbrennungsmotor angetrieben wird und darüber hinaus über eine achsparallele Elektromaschine verfügt. Der Vorteil ist, dass der Elektromotor in unterschiedlichen Drehzahlbereichen betrieben werden kann. Außerdem kann er je nach Platzbedarf sehr flexibel positioniert werden. Das Doppelkupplungsgetriebe ist ohne Zusatzhydrauliken Start-Stopp-fähig.
Dort wird der Elektromotor an der Hinterachse rein über die Batterie gespeist. Es handelt sich um einen so genannten Achshybriden. Mit Achshybriden kann man alle front- oder heckgetriebenen Fahrzeuge hybridisieren, ohne am motorseitigen Antriebsstrang etwas ändern zu müssen. Man erhält mit Ausnahme der Start-Stopp-Funktionen alle Hybridfunktionen wie Boosten oder Rekuperation und zusätzlich noch den Allradantrieb.
Wir führen für beide Technologien viele Gespräche mit Kunden. Wir gehen davon aus, dass das Konzept des hybridisierten Doppelkupplungsgetriebes spätestens 2013/14 in Serie geht – wenn auch nicht in großen Volumina. Einen ähnlichen Zeithorizont sehen wir auch bei den Achshybriden. Dass beide Konzepte zusammen realisiert werden, ist im Moment nicht in der Planung, obwohl es natürlich machbar ist.
Klar ist, dass die Hybridisierung nur einen Zwischenschritt zur vollständigen Elektrifizierung des Autos darstellt. Wir stellen uns die Frage, ob die Batterie dann nur stationär gespeist wird. Oder ob es mobile Generatoren im Fahrzeug gibt. Das können zwei- oder dreizylindrige Dieselmotoren – so genannte Range Extender – sein. Diese laden die Batterie im optimalen Betriebszustand während des Fahrens permanent nach, können aber bei Bedarf das Fahrzeug auch direkt antreiben. Auf der IAA stellen wir einen Range Extender vor, um unsere Gesamtkompetenz bei vernetzten Antriebssträngen zu zeigen. Ob wir in eine solche Aktivität einsteigen, hängt auch von der Resonanz des Marktes ab.
Wir schauen dabei eher auf ganz andere Kunden. Es gibt eine Vielzahl von neuen Herstellern – zum Beispiel bei Lieferfahrzeugen – die mit guten Ideen ihren Beitrag zur Elektrifizierung des Autos leisten wollen. Da könnten wir uns eine Zusammenarbeit jenseits der etablierten Kundenbeziehungen vorstellen. Generell glaube ich, dass der Wandel hin zum Elektrofahrzeug nur mit neuen Kooperationsmodellen zwischen Hersteller und Zulieferer bewältigt werden kann.
Weil die finanziellen Mittel für die Hybridisierung und Elektrifizierung eine enorme Größenordnung erreichen werden. Wir rechnen deshalb auch damit, dass sich Hersteller von der einen oder anderen Aktivität künftig eher trennen oder diese in eine Kooperation einbringen. Vorstellbar ist beispielsweise, dass bestimmte Getriebeaktivitäten outgesourct werden. Oder dass eine unterausgelastete Fertigung in ein gemeinsames Unternehmen mit einem Zulieferer eingebracht wird. Bei dieser Art der Konsolidierung wollen wir eine Rolle spielen.
Getrag Corporate Group
2009 Prognose
Umsatz 2 Milliarden Euro
2,6-2,7 Millionen Getriebe
700.000 Achsdifferenziale
2008
Umsatz 2,5 Milliarden Euro
3,3 Millionen Getriebe
1,3 Millionen Achsdifferenziale
2007
Umsatz 2,6 Milliarden Euro
3,42 Millionen Getriebe
1,28 Millionen Achsdifferenziale
Im Augenblick nicht. Zwar leidet unser Steuerradgeschäft für Nutzfahrzeuge in Nordamerika gerade unter dem Brancheneinbruch. Auch die Pkw-Achsenaktivitäten mit General Motors und Volvo sind von der aktuellen Krise besonders betroffen. Dennoch glauben wir an das Potenzial dieser Geschäftsfelder. Der Einstieg in das Achsengeschäft in Asien ist sogar eine strategische Option von uns. Gerade in China und Indien sehen wir nicht nur große Wachstumspotenziale, sondern auch Gestaltungsmöglichkeiten mit herkömmlicher Technologie wie Handschaltgetrieben. Allein in China werden wir unseren Umsatz in den nächsten zwei bis drei Jahren verdoppeln.