Herr Reiss, das Werk Sindelfingen ist im neuen Produktionsverbund von Mercedes- Benz Kompetenzzentrum für Pkw der Ober- und Luxusklasse. Welche Rolle kommt Sindelfingen konkret zu, wenn der Anlauf eines neuen Modells ansteht?
Wir haben eine große Bedeutung für den Konzern, denn wir bauen hier mit S-Klasse, E-Klasse und weiteren Modellen Fahrzeuge, die einen wichtigen Gewinnbeitrag leisten. Und der Erfolg der neuen S-Klasse im Wettbewerbsumfeld macht uns mächtig stolz. Als Kompetenzzentrum bringen wir nicht nur Unterstützungsleistung, etwa bei der produktionsgerechten Entwicklung eines neuen Modells, sondern wir versorgen auch andere Standorte mit Pressteilen, mit Werkzeugen und Anlagentechnik. Wir unterstützen mit unserer Mannschaft in der Anlauffabrik die Produktionsanläufe anderer Standorte, etwa Tuscaloosa, Bremen oder Peking.
Müssen Sie dazu noch die Werke vor Ort besuchen?
Zunächst bauen wir in Sindelfingen Vorserienfahrzeuge. Aber wir sind auch in den Auslandswerken vor Ort. Zur Anlaufunterstützung haben wir eigens das sogenannte Anlauf-Team gegründet. Das sind hochkompetente Mitarbeiter, die die komplette Prozesskette des Autobauens abdecken. Sie werden weltweit flexibel eingesetzt und unterstützen den globalen Produktionsverbund beim Hochlauf von Autos und der Inbetriebnahme von Anlagentechnik.
Das Produktionsnetzwerk folgt einem ähnlichen Gedanken wie die modularen Baukästen. Sie steigern Effizienz und senken Kosten, gleichzeitig multiplizieren sich aber auch Fehler, wie die Rekord-Rückrufe zeigen. Besteht beim Produktionsnetzwerk die Gefahr, dass ein Fehler aus dem Kompetenzzentrum in nachgelagerte Werke übertragen wird?
Wir haben bei Daimler mit die beste Qualität und mit die geringsten Rückrufaktionen, was zeigt, dass unser Reifegrad-Management sehr gut funktioniert. Und wir haben ein hervorragendes Qualitätsmanagement. Deshalb ist uns nicht bange, dass uns bei einer zunehmenden Internationalisierung etwas durch den Filter rutscht.
Der neue Produktionsverbund soll Daimler flexibler machen. Birgt diese Flexibilität im internationalen Verbund auch die Gefahr, dass der Hersteller in Krisenzeiten leichter den Daumen über einem Werk senkt, weil er die Fertigung ohne Unterbrechung in eine andere Fabrik verlagern kann?
Wir sind sehr gut ausgelastet und sehen in den nächsten Jahren ein deutliches Absatzwachstum bei Mercedes-Benz Pkw. In den nächsten Jahren stehen wir also vor der Herausforderung, unsere internationalen Kapazitäten auszubauen, um die Marktnachfrage befriedigen zu können. Für zusätzliche Flexibilität bei Marktschwankungen sorgen Auftragsfertiger, die wir heute schon nutzen.
Gradmesser für die Effizienz der Automobilwerke ist der Harbour Report. Waren Sie zufrieden mit dem Abschneiden von Sindelfingen im letzten Harbour Report?
Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. Aber wir machen signifikante Fortschritte.