Warum Zulieferer werben

Zulieferer sind keine Lautsprecher. Eher sind sie leise, verschwiegen, sie fliegen oft unter dem Radar. Es reicht ihnen, statt mit der Öffentlichkeit mit ihren Kunden zu kommunizieren.

Doch das hat sich zuletzt gewandelt. Zunehmend kümmern sich Bosch, Continental, Leoni, ElringKlinger und andere um ihre Außendarstellung. Sie verlassen die Anonymität, denn sie haben etwas zu erzählen.

Die ganze Zulieferbranche steckt in einem Transformations- und Digitalisierungsprozess, der das Denken vieler Firmen verändert. "Markenbildung ist in den vergangenen Jahren für Zulieferer deutlich relevanter geworden, sie sind mittlerweile große, umsatzstarke Player, die auf Augenhöhe mit den Autobauern agieren", sagt Automobilexperte Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM). Als Innovatoren und Schrittmacher der Autoindustrie haben Zulieferer ein neues Standing, und das zeigen sie auch.

Markenbildungwird in dem Zusammenhang wichtiger,denn Zulieferer sprechen schlicht mehr Zielgruppen an alsfrüher. Sie betreibenEmployerBranding,sie stellen sich in der Öffentlichkeit den neuen Marktteilnehmern vor,sie reden auf politischer Ebene mit, sie kommunizieren mit Aktionären und Investoren oder sie müssen im Aftermarket ihre Marke pflegen.

Für Christoph Horn, seit Sommer 2015 Kommunikationschef von ZF, gehört Markenbildung zu den Prioritäten seines Jobs. Er will Beziehungen nach innen und nach außen festigen. "Früher hat es gereicht, sich über technische Kompetenz, Preis und Zuverlässigkeit zu definieren. Zusätzlich kommt jetzt viel stärker als zuvor die Markenkommunikation mit verschiedenen Stakeholdern hinzu, um mehr Akzeptanz und Bekanntheit zu gewinnen", so Horn.

ZF hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Einst "der Getriebehersteller vom Nordufer des Bodensees", sind die Friedrichshafener heute ein globaler Big Player der Mobilität von morgen. Im Januar 2016 spielten sie auf der spektakulären Consumer Electronics Show in Las Vegas mit und haben sich bei Marktteilnehmern, IT-Ingenieuren und Programmierern bekannt gemacht.

Ein weiteres Ziel nennt Horn: Employer Branding. ZF braucht in Zeiten der Digitalisierung Fachkräfte aus allen Ecken der Erde. Absolventen aus München, London oder Stanford sollen nach Friedrichshafen gehen. Horn: "Viele junge Ingenieure denken zuerst an die großen Autohersteller oder Bosch und Conti. In diesem Reigen müssen wir dabei sein."

Auch für Andreas Brändle, Leiter Unternehmenskommunikation bei ElringKlinger in Dettingen, ist die Suche nach Personal ein wichtiger Grund für Werbung. ElringKlinger fährt dafür eine Kommunikationsstrategie über mehrere Kanäle. Dazu zählen auch die sozialen Medien, über die Elring-Klinger vor allem potenzielle Auszubildende und duale Studenten anspricht. "Trotz unserer Unternehmensgröße liegt unsere Bekanntheit im regionalen Bereich, meist in unmittelbarer Nähe unserer Standorte", sagt Brändle. "Schon in Stuttgart – rund 30 Kilometer vom Hauptsitz entfernt – nimmt man unser Unternehmen nicht unbedingt wahr, weswegen wir kürzlich eine Personalkampagne gestartet haben."

Die Werbung zeigt ElringKlinger als modernen Technologiekonzern. Der Zulieferer ist immerhin börsennotiert und macht anderthalb Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Das sollte sich dann auch in der Kommunikation spiegeln.

Zulieferer sind nicht mehr bloß Zulieferer. Sie sind Schrittmacher, Entwicklungspartner, Innovationstreiber. Sie wollen Führungspositionen bei den Megatrends der Zukunft erreichen. Schon heute tragen Zulieferer einen Anteil von 80 Prozent zur Wertschöpfung eines Autos bei. Wenn sie die richtigen Produkte für digitale und vernetzte Autos entwickeln, wird der Anteil noch steigen.

Für den weltgrößten Autozulieferer Bosch ist die Zukunft der Mobilität automatisiert, elektrifiziert und vernetzt. "Damit verändern sich unsere Geschäftsmodelle: Im Automotive-Bereich sind wir nicht mehr nur im B2B unterwegs, sondern auch nah am Endkunden", sagt Clemens Krebs, Leiter Marketing Communications Automotive bei Bosch.

So haben die Schwaben eine App entwickelt, mit der Kunden eine freie Ladesäule für ihr Elektroauto finden und dort problemlos bezahlen können.

Natürlich liegt ein Schwerpunkt weiter auf der Kommunikation mit Geschäftskunden. Aber auch die verändert sich. Krebs: "Zusammen mit den Kollegen der Medienarbeit und von Social Media formen wir eine innovative B2B-Kommunikation. Die Frage dabei: Wie können wir eine technische Geschichte so spannend und interessant machen, dass sie weltweit wahrgenommen wird? Wir laden die Marke mit positiven und faszinierenden Geschichten auf und stärken gleichzeitig die B2B-Kommunikation."

Positiv, faszinierend, locker – so wollen einige große Zulieferer neuerdings wahrgenommen werden. Manager und Marken legen ihr konservatives Image ab, alle wollen ein bisschen mehr Silicon Valley sein. Messestände gleichen teilweise Wohlfühloasen, früher sahen sie aus wie Produktlager.

Für Krebs ist das nicht neu: "Wer einen Messestand von Bosch oder eine Konferenz von uns besucht, weiß, dass bieder nicht unser Ding ist – auch nie war." Aber bitte keine Lockerheit mit der Brechstange: "Wir sollten nicht immer verkrampft nach Kalifornien schauen. Mobilität ist cool und damit Bosch – mit dieser Einstellung kommt die Lockerheit ganz von selbst."

Doch der Wandel in der Branche ist nicht überall angekommen. Vor allem in vielen mittelständischen Firmen herrscht weiterhin das Denken vor, der Zulieferer habe sich dem Kunden mit Demut und guten Preisen zu nähern. Öffentlichkeitsarbeit und Markenbildung sind dort nur ein untergeordnetes Thema. Ihr Erfolg mag den Unternehmen sogar recht geben.