Etwas mehr Interesse hätte sich Jörg Stratmann wohl doch gewünscht. Als er Ende April erstmals die Bilanzpressekonferenz des Zulieferers Mahle leitete, hatten sich keine zehn Journalisten vor ihm versammelt. Die Konkurrenz durch die parallel stattfindende Pressekonferenz des großen Stuttgarter Nachbarn Bosch war wohl zu stark.
Doch der große glamouröse Auftritt ist Stratmanns Sache ohnehin nicht. „Mir geht es nicht darum, eigene Akzente zu setzen“, gibt sich der 48-jährige Wirtschaftsingenieur, der Mahle seit Februar leitet, zurückhaltend. Stratmann steht vor allem für Kontinuität. Er will die von seinem Vorgänger Wolf-Henning Scheider verfolgte Dualstrategie des Zulieferers fortsetzen. Das heißt, einerseits den Verbrennungsmotor weiter optimieren und andererseits Entwicklungen für die Elektromobilität vorantreiben.
Stratmann weiß, auf was er sich bei Mahle einlässt. Bereits 2008 war er als Leiter des Segments Powertrain Nutzfahrzeuge bei Continental zu Mahle gewechselt. Ab Mai 2009 verantwortete er beim viertgrößten deutschen Zulieferer die Produktlinie Flüssigkeitsmanagement-Systeme. Im Februar 2013 wurde er Mitglied der Geschäftsführung der Mahle-Behr-Gruppe, deren Vorsitz er im Juli 2013 übernahm. Im Jahr 2014 wurde er schließlich in die Konzern-Geschäftsführung berufen. Zuletzt war er dort für die Leitung der gesamten Mahle-Behr-Gruppe, den heutigen Mahle-Geschäftsbereich Thermomanagement, zuständig.
Stratmann, verheirateter Vater von zwei Kindern und Hobby-Tennisspieler, wird von ehemaligen Weggefährten als sehr fokussiert, strategisch denkend und kommunikationsorientiert beschrieben. Viel Anerkennung hat sich der gebürtige Münsteraner bei der Integration von Behr in den Mahle-Konzern erworben, sodass er schon bei der Nachfolge des heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Heinz K. Junker als Mitfavorit auf den Mahle-Chefposten zählte. Seinerzeit erhielt der heutige ZF-Chef Wolf-Henning Scheider den Vorzug.
Der Wechsel auf den Chefsessel bei Mahle kam jetzt aber nicht nur für die Mitarbeiter, sondern wohl auch für ihn überraschend schnell. Noch vor drei Monaten hätte er nicht damit gerechnet, die Unternehmensführung zu übernehmen, so Stratmann. Doch bei ZF wurde dringend ein Nachfolger für den im Streit ausgeschiedenen Vorstandschef Stefan Sommer gesucht. Mahle stimmte dem Wechsel Scheiders zu – und der Weg für Stratmann war frei.
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