München. Laut dem europäischen Dachverband der Teilegroßhändler (FIGIEFA) müssen die Autobauer zwar heute schon Ersatzteilkataloge auch freien Werkstätten verfügbar machen, so in der fabrikatsübergreifenden Plattform Partslink24. Doch lassen sich damit ausschließlich die Teile des Fahrzeugherstellers identifizieren. Andere Teileanbieter und Zulieferer müssen sich die Informationen, welche ihrer Teile passen könnten, mühsam zusammensuchen. Transparenz sieht anders aus. Einen Grund für die Haltung der Autohersteller vermutet Hartmut Röhl, Präsident des Gesamtverbands Autoteile-Handel und Präsident des FIGIEFA, darin, dass die Autobauer die Kontrolle über das Reparatur- und Ersatzteilgeschäft behalten wollen. "Das ist das absolut rentabelste Geschäft, das die Fahrzeughersteller und ihre Vertragspartner haben“, sagt er.
Derzeit steht den Werkstätten unter anderem eine Branchenlösung von Tec Alliance zur Verfügung. Dazu zählt der Teilekatalog TecDoc, die elektronische Plattform zur Datenübermittlung Tec- Com sowie AuDaCon, ein System für technische Reparaturinformationen. Das Produkt SilverDAT der Deutschen Automobil Treuhand hilft bei der Reparaturkosten- Kalkulation. Doch über einen Teilekatalog auf Basis der Typbezeichnung oder der KBA-Nummer lasse sich ein Auto nicht immer eindeutig bestimmen, bedauert Röhl. In der Vergangenheit ließ sich ein Auto über die KBA-Zulassungsnummer identifizieren. Das funktioniere aber nicht mehr, weil unter der gleichen KBA-Zulassungsnummer mittlerweile eine Vielzahl von Modellvarianten am Markt sei, die mit unterschiedlichen Teilen bestückt werden. Im Zweifelsfall liefern Teilehändler etwa zwei oder drei Bremsscheiben an Werkstätten, damit diese eine Reparatur durchführen können."Bei der Belieferung seitens des freien Teilegroßhandels an Mehrmarkenwerkstätten treten je nach Teilegruppe Fehlerhäufigkeiten auf, die sich durchaus in der Größenordnung von rund zehn Prozent bewegen können“, erklärt Helmut Wolk von der auf Kfz-Aftermarket spezialisierten Unternehmensberatung Wolk After Sales Experts. "Bei Verschleißteilen wie Bremsscheiben, Lichtmaschinen oder Anlasser mag das Problem ja noch zu bewältigen sein, weil man die Geräte optisch miteinander vergleich kann, um das richtige zu identifizieren. Aber wenn ich Steuergeräte identifizieren muss und nicht mehr weiß, welche Softwareversion in welcher Box zum Einsatz gelangt, verbaut der Mechaniker in der Werkstatt womöglich das falsche Teil“ – so die Sorge eines Geschäftsführers bei einem Elektronikzulieferer. Doch weder bei BMW noch bei Ford oder Volkswagen sind Änderungen an der Praxis geplant. VW beispielsweise verweist auf das internetbasierte System erWin, das unabhängigen Marktbeteiligten "gemäß den gesetzlichen Vorgaben Zugang zu den für die Reparatur und Wartung eines Fahrzeuges notwendigen technischen Informationen gewährt“. Und BMW versichert, dass "selbstverständlich auch weiterhin technische Informationen über die Online- Plattform OSS“ allen berechtigten Dritten jederzeit leicht zugänglich zur Verfügung stünden. Röhl rechnet vor, dass eine freie Werkstatt pro Hersteller auf jährliche Kosten in Höhe von bis zu 3000 Euro kommt, wenn sie die Daten vom Autobauer bezieht. "Das sprengt die wirtschaftlichen Möglichkeiten einer Werkstatt“, ist er überzeugt.Viele freie Werkstätten reagieren noch gelassen, weil die meisten Autos, die zu ihnen zur Reparatur gebracht werden, älteren Datums sind. Kritisch wird das Thema erst bei Euro-5-Fahrzeugen, die ab September 2009 auf den Markt kamen und zumeist erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist bei den freien Werkstätten auftauchen. Hier werden die freien Anbieter künftig zunehmend in Schwierigkeiten geraten, weil diese Autos einen besonders hohen Anteil an elektronisch geregelten, gesteuerten und miteinander verknüpften Komponenten haben.Wenn heute Probleme bei der Teileidentifizierung auftauchen, hilft oftmals noch ein Anruf in einer befreundeten Vertragswerkstatt, um auf dem kleinen Dienstweg die benötigten Informationen Informationsquellen für Werkstätten 33Das fabrikatsübergreifende Informationssystem SilverDAT II der Deutschen Automobil Treuhand zählt 18.000 Kunden. Dort werden in grafischer Form nur Daten über Originalersatzteile aufbereitet und eingestellt. Die Identifikation erfolgt über die VIN. 33Der Kalkulations- und Datenspezialisten Audatex ist neben DAT der zweite große Anbieter. Hier werden Daten der Fahrzeughersteller wie Arbeitszeiten, Ersatzteilnummern oder Vorgaben zu Instandsetzungsverfahren gesammelt. 33Alldata Europe, europäische Tochter des US-Spezialisten für Herstellerinformationen Alldata, bietet seit März mit Alldata Repair Mehrmarkenwerkstätten in Europa Daten der Fahrzeughersteller. Die Diagramme, Rückrufdaten, Wartungspläne und weitere Informationen kommen direkt vom Autohersteller und werden nicht redaktionell bearbeitet oder verändert. Derzeit umfasst der Service die Daten von 15 europäischen Marken in den Sprachen Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch und Deutsch. Hintergrund zu erhalten. Doch damit könnte es bald vorbei sein. "Das, was früher im Sinne einer Nachbarschaftshilfe zwischen den Werkstätten möglich war, wird künftig nicht mehr funktionieren. Denn in den meisten Verträgen der Vertragswerkstätten steht inzwischen drin, dass die Weitergabe technischer Informationen einen Verstoß darstellt“, so ein Branchenkenner.Rolf Körbler, Geschäftsführer der Servicekette Point S Deutschland, zu der auch die freie Servicemarke für Autohäuser und Werkstätten Automeister zählt, greift bei den Teiledaten auf die Plattform TecDoc zurück und unterhält zudem mehrere Kooperationen mit Teilegroßhändlern in Deutschland wie Wessels + Müller, Stahlgruber, Matthies, PV und Trost. "Im Großen und Ganzen“, so Körbler, sei man "mit der Teileidentifikation zufrieden“. Nur bei sehr speziellen Teilen und ganz neuen Fahrzeugen könne es zu Problemen kommen. Der Geschäftsführer hält es für hilfreich, wenn man die Identifikation über die Fahrgestellnummer – kurz VIN – ausbauen könnte. "Wobei ich der Meinung bin, dass gerade der Teilegroßhandel und auch die Anbieter technischer Informationen wie etwa AuDaCon einiges auf diesem Gebiet bewegen.“Ringen um die Reparaturdaten
Körbler wünscht sich jedoch schnellere und umfangreichere Informationen. "Das betrifft Rückrufe, Serviceaktionen der Autohersteller oder Änderungen von Serviceintervallen. Das sind Informationen, die uns manchmal zu spät und teilweise auch lückenhaft erreichen.“ Auch der VDA befürwortet eine Branchenlösung: Da aktuell noch kein Verfahren für den Austausch von Daten über Fahrzeugbauteile zwischen Fahrzeugherstellern und unabhängigen Marktteilnehmern zur Verfügung stehe, habe die Europäische Kommission bereits für den Pkw-Sektor die Entwicklung eines CEN-Standards angeregt. VDA-Geschäftsführer Klaus Bräunig: "Das Europäische Komitee für Normung, CEN, soll hier ein gemeinsames strukturiertes Verfahren für das standardisierte Format der ausgetauschten Daten als offizielle Norm entwickeln.“