Rabattschlacht trotz Absatzboom

München. Der deutsche Automarkt zerfällt immer stärker in zwei Lager: Während die einen Hersteller mit ihrer Produktion die Nachfrage nicht mehr befriedigen können, erkaufen sich andere Autobauer auch im Konjunkturhoch noch Marktanteile mit hohen Rabatten.

"Die langen Lieferzeiten machen uns derzeit durchaus Sorgen“, sagte VW-Chef Martin Winterkorn im Gespräch mit Automobilwoche. "Wir kämpfen jeden Tag dagegen an und versuchen, Engpässe bei wichtigen Teilen zu beseitigen“, fügte der Top-Manager hinzu. Das Problem der langen Lieferzeiten betreffe dabei nicht nur die Pkw von VW, sondern den ganzen Konzern.

"Ein wichtiger Grund für die langen Lieferzeiten sind fehlende Komponenten aus Japan. Es gibt aber derzeit auch bestimmte Fahrzeuge, die einfach im Rampenlicht stehen und denen die Kunden in Scharen nachlaufen", erklärt Nick Margetts, Geschäftsführer des Analysehauses Jato Dynamics. Margetts zufolge haben die Autohersteller nicht mit einem so starken Konjunkturaufschwung in Deutschland gerechnet und ihre Produktion sehr vorsichtig geplant.

Vor allem auf SUVs müssen Kunden bis zu zehn Monate warten. "Beim Porsche Cayenne haben wir Lieferzeiten bis März, beim Mercedes GLK ebenso. Da tut einem als Händler das Herz weh. Denn das Geld fehlt uns jetzt, weil wir es erst bei der Auslieferung an die Kunden bekommen“, sagt Auto-Scholz-Chef Michael Eidenmüller. Positiver Ausgleich: Die starke Nachfrage macht hohe Rabatte überflüssig – die Händlerrendite steigt.

Auch bei BMW brauchen die Kunden viel Geduld, wenn sie einen stadttauglichen Geländewagen wollen. "Unsere Modelle sind derzeit sehr begehrt, der X3 beispielsweise hat Lieferzeiten bis ins nächste Jahr hinein", sagte BMW Group-Deutschlandchef Karsten Engel der Automobilwoche. Positiv sieht Engel, dass aufgrund der hohen Nachfrage die Nachlässe für die gefragten BMW-Modelle zurückgegangen seien. "Wir blicken sehr zufrieden auf Absatz und Ergebnis im laufenden Jahr", sagte Engel.

Ein rasches Ende der Lieferengpässe ist nach Einschätzung von Analyst Margetts unwahrscheinlich: "Ich rechne nicht damit, dass sich die Liefersituation vor 2012 wesentlich verbessert. Denn es dauert je nach Fertigungssituation Monate, die Kapazitäten in der Produktion anzupassen".

Mit monatelangen Lieferzeiten finden sich aber nicht alle Kunden ab. Jeder zehnte Kunde deutscher Premiumhersteller droht mit einem Markenwechsel, bei deutschen Volumenmarken sind es 17,4 Prozent, ermittelte das Marktforschungsinstitut Puls.

Viele Marken lassen aber die Chance verstreichen, im Aufschwung Rabatte zu senken. Vor allem Importeure verkaufen ihre Autos noch bis zu einem Drittel unter Listenpreis. Dabei haben sie bei ihren Modellen weniger lange Wartezeiten und könnten ihre Lieferfähigkeit als Verkaufsargument einsetzen. "Bei uns gibt es derzeit nur Lieferzeiten beim Juke 4X4 und GT-R, die aus japanischer Produktion kommen. Beim Juke 4x4 muss der Kunde bis Juli 2011 warten", heißt es von Nissan. Den Aufschwung am Automarkt nutze man aber nicht, um die Herstellerrabatte zu senken. Die gute Liefersituation werde auch nicht als Argument eingesetzt, um mit kurzen Lieferzeiten statt Rabatten zu werben. "Wir werben mit guten Autos", teilt ein Nissan-Sprecher mit.

"Es wäre zwar logisch, nun die Rabatte runterzuschrauben, aber es ist für die Marken auch ein Wagnis: Wer dreht zuerst an der Rabattschraube?“, fragt Margetts. Auch Fiat-Deutschlandchef Manfred Kantner sieht bei Rabatten "keine großen Veränderungen“ im Vergleich mit der Situation in den Jahren 2008 und 2009.

Mitarbeit: Henning Krogh, Matthias Krust und Michael Knauer

(30.5.2011: Ergänzt um Zitat von BMW Group-Deutschlandchef Karsten Engel im fünften Absatz.)