Pirelli treibt den Teufel aus

München. In der dunklen Lagerhalle blitzen die roten Augen des Dämons auf. Er erwartet seinen Gegner, den finalen Kampf. Das Gute gegen das Böse, ein jahrtausendealtes Gefecht. Der Exorzist mit dem Kreuz in der Hand gegen ein vom Dämon besessenes Auto. Im brennenden Drudenfuss dreht sich das schwarze Böse um die eigene Achse, erhöht mit jeder Umdrehung die Aggressivität des Angriffs. Der Exorzist spricht seine Beschwörungsformeln vergeblich. Das Böse ist stärker, zumindest im neuen Pirelli-Werbefilm "The Call".

Bislang wurde diese cineastische Neuauflage des altbekannten Duells schon 1,7 Millionen Mal gesehen. Dabei steht der Film "The Call" nicht auf den Spielplänen der Kinos. Wer ihn sehen möchte, muss sich auf die Internetseite www.pirellifilm.com begeben. Eine Kurzfassung von 30 Sekunden läuft zudem im Deutschen Sportfernsehen.

Mit Topmodel Naomi Campbell als teuflisch attraktivem Dämon und Schauspieler John Malkovich als Exorzist leistet sich Pirelli für seinen Werbefilm zwei hochkarätige und hoch bezahlte Hauptdarsteller. Der Regisseur des wohl aufwändigsten Reifenspots aller Zeiten ist Antoine Fuqua, ebenfalls kein Unbekannter. Fuqua drehte die Hollywood-Erfolge "Training Day" und "King Arthur".

Der fast neun Minuten lange Spot "The Call" wird in den nächsten Monaten den Mittelpunkt der Pirelli-Werbung bilden. "Auf den Film fokussiert sich unsere gesamte Kommunikationsstrategie", sagt Pirelli-Sprecherin Melina Evangelisti. "The Call" eröffnet damit eine internationale Kampagne, die drei Jahre dauern soll. Schon für 2007 ist ein neuer Internet-Film geplant.

Pirelli ist nicht die erste Marke der Automobilindustrie, die ihr Werbeheil in Internet-Filmen sucht. Bereits im Jahr 2001 hatte BMW auf dem Filmfestival in Cannes die Reihe "The Hire" gestartet, deren acht Folgen insgesamt mehr als 100 Millionen Mal gesehen worden sind. Der Premiumhersteller hatte dabei gegenüber Pirelli allerdings den Vorteil, dass sich sein Produkt leichter in Szene setzen liess.

Um trotz der eher drögen Materie Autoreifen einen emotionalen Film bieten zu können, versteckt der italienische Hersteller seinen eigentlichen Hauptdarsteller bis zum Ende des Films. Da Kreuz und Beschwörungsformeln den Dämon nicht zähmen können, führt Exorzist Malkovich vier Pirelli-Reifen ins Schlachtfeld. Der Dämon zieht daraufhin die flammenden Flügel ein und fährt aus dem Auto.

Bildlich soll somit der Pirelli-Claim "Power is nothing without control" vermittelt werden.

Werner Hagstotz, der mit seiner Firma Hagstotz ITM auch Unternehmen der Autobranche bei ihrer Werbestrategie berät, hält "The Call" zwar für technisch gut gemacht, die Überschneidung mit der Pirelli-Zielgruppe schätzt er aber als sehr gering ein. Internet-Filme werden ihm zufolge vorwiegend von einem jüngeren Publikum gesehen. "Und Junge achten vielleicht auf schöne Felgen, aber nicht so sehr auf die Reifen", sagt Hagstotz. Einen derart aufwändigen Kurzfilm zum Mittelpunkt einer Werbestrategie zu machen, hält er für äusserst riskant.