Herr Blume, Porsche steht an der Schwelle zu 30.000 Mitarbeitern. Ist denn ein Ende des rasanten Wachstums abzusehen?Wir haben derzeit rund 29.500 Mitarbeiter. Aber weder bei den Stückzahlen noch bei den Jobs gibt es eine Ziellinie. Uns war immer wichtig, dass wir nachhaltig wachsen und nicht zu große Sprünge machen. Wir wollen die Menschen im Unternehmen nicht überfordern – schließlich soll sich der Porsche-Spirit auf die neuen Kollegen übertragen.
Ist ein weiterer Aufbau vorgesehen?
Wir haben in den vergangenen Jahren einen kräftigen Schluck aus der Pulle genommen, um uns auf die Zukunft vorzubereiten. Das ist in Stuttgart vor allem der Mission E, aber wir haben noch viele weitere interessante Ideen, mit denen wir wachsen werden. Das betrifft zum einen die Elektromobilität, wo es sicher nicht bei einem Fahrzeug bleiben wird. Dann kommt zum anderen im nächsten Jahr der neue 911er mit emotionalen Verbrennungsmotoren. Und schließlich die dritte Antriebsart, auf die wir setzen: der Plug-In-Hybrid. Er ist extrem erfolgreich. Beim Panamera beispielsweise erreichen wir in Europa einen Anteil von mehr als 40 Prozent.
In Leipzig produzieren Sie inzwischen 100.000 Macan und rund 30.000 Panamera pro Jahr. Wann ist dort eine Grenze erreicht?
Leipzig entwickelt sich hervorragend. Nach dem Macan war vor allem die Kombination des neuen Panamera und des Bentley in der Produktion extrem herausfordernd. Natürlich ist mit den Folgemodellen von Macan und Panamera auch eine Erweiterung der Infrastruktur möglich. Der Platz ist da. Aber wir wollen nichts überstürzen. Die größten Fehler macht man, wenn man in guten Phasen zu euphorisch ist und zu schnell wächst.
Sie haben die Kooperation bei den Luxusmarken im Konzern verstärkt. Wie kommen Sie voran?
Wir haben uns mit Bentley und Bugatti zur Markengruppe Sport/Luxus zusammengeschlossen. Die drei Marken bieten ein Synergiepotenzial und passen gut zueinander. Das betrifft die technische Seite mit der MSB-Plattform oder auch die Absicherung der Fahrzeuge, wo wir unser Know-how teilen und Kosten reduzieren. Es geht aber auch um Produktionsprozesse wie in Leipzig oder um Qualitäts-, Finanz-, oder Strategiethemen. Besonders wichtig ist dabei, dass jede Marke ihre Identität bewahrt, der Auftritt nach außen und die Geschäftsführung eigenständig bleiben.
Wie viel können Sie dadurch einsparen?
Wir sind überwältigt von dem, was wir dort gemeinsam an Potenzial erschließen können. Wir haben uns zu Beginn ein Ziel gesetzt von 100 Millionen Euro pro Jahr. Das haben wir bereits deutlich übertroffen. Wir haben eine transparente Methode, mit der wir messen können, was in den Budgets der einzelnen Marken durch die Synergien ankommt. Wir kommen vier Mal im Jahr zu einem Brand-Group-Meeting zusammen. Mehr als 80 Aktivitäten laufen bereits und wir schauen uns dann genau den Fortschritt an.
Können Sie die Höhe der Synergien präzisieren?
Sie liegen gut um die Hälfte über dem ursprünglichen Ziel.
Im nächsten Jahr kommt der neue 911er. Die Stückzahlen liegen seit Jahren um die 30.000. Kann eine neue Generation das Niveau nochmals deutlich heben?
Wir haben uns beim 911er wie auch bei anderen Fahrzeugen nie über die Stückzahlen definiert. Diese hat sich vielmehr aus den unterschiedlichen Modellen ergeben. Wir haben im letzten Jahr der aktuellen 911er-Generation so viele Fahrzeuge verkauft wie noch nie. Unsere Strategie mit Sondermodellen und limitierten Editionen ist sehr erfolgreich. Wenn wir ein Derivat machen, muss es aber extrem eigenständig sein und auf einen bestimmten Kundennutzen zugeschnitten sein. So wie zum Beispiel der GT 2 RS, der leistungsstärkste Porsche, den wir je gemacht haben.
Sind noch mehr Ableger des 911er ein Modell für die Zukunft?
Ja, wir werden neben den Basismodellen wie Cabrio oder Targa vor allem das GT-Programm weiter ausbauen. Dazu werden wir eine Heritage-Linie mit Zitaten in Anlehnung an die 60er, 70er und 80er Jahren aufbauen. Keine andere Marke kann diese Elemente so gut in die Moderne übertragen wie Porsche. Damit reagieren wir auch auf Wünsche unserer Kunden. Ein erstes Beispiel war der erfolgreiche 911 R, den wir bewusst nur mit Handschalter gebaut haben.
Wenn Porsche in Zukunft einen neuen zweitürigen Sportwagen machen würde, wäre dies dann bereits automatisch ein reines Elektrofahrzeug?
Wir prüfen in allen Segmenten, welche Möglichkeiten es für neue Produkte gibt. Dabei ist nicht so entscheidend, ob es ein Zwei- oder Viertürer ist. Beim Antrieb gehen wir davon aus, dass in den nächsten zehn bis 15 Jahren Verbrenner und E-Antrieb parallel existieren. Wir haben eine Karte aller Märkte mit bestimmten Kriterien wie Ladenetz, Kaufverhalten der Kunden und ähnliches erstellt. Anhand davon versuchen wir, den richtigen Mix aus Verbrenner, Plug-In-Hybriden und reinen E-Fahrzeugen festzulegen und möglichst flexibel zu bleiben.
Sie setzen stark auf den Plug-In-Hybrid, aber ist der nicht eine Mogelpackung, weil viele Käufer gar nicht elektrisch fahren und mehr verbrauchen als etwa mit einem Diesel?
Der Plug-In-Hybrid ist ideal, um in der Stadt kurze Strecken rein elektrisch zu fahren und trotzdem eine große Reichweite zu haben. Zudem sind die Kunden angesichts der Diskussionen um Fahrverbote auf der sicheren Seite. In Österreich kaufen bereits vier von fünf Kunden einen Plug-In-Hybriden. Wir haben ihn bewusst ganz oben angesiedelt als leistungsstärkstes Modell der Palette und nicht als Verzichtauto. Auf der Autobahn etwa gibt der Elektromotor einen zusätzlichen Schub. Die gleiche Strategie fahren wir beim Cayenne. Mit noch größeren Reichweiten wird der Plug-In-Hybrid noch attraktiver werden.
Auch bei Porsche ist China der wichtigste Markt. Planen Sie wie Tesla ein eigenes Werk?
Tatsächlich ist China bei Porsche seit zwei Jahren der stärkste Markt. Wir haben dort ein hervorragendes Image. Die chinesischen Käufer legen großen Wert auf das Label „made in Germany“. Die Lokalisierung der Produktion hängt zudem von einer gewissen Stückzahl ab. Die 70.000 verkauften Fahrzeuge bei Porsche beziehen sich auf alle Modelle. Das würde für ein eigenständiges Werk nicht reichen. Aber ich kann natürlich nicht sagen, was in zehn Jahren ist.
China wird auch der Elektro-Leitmarkt, wie weit sind Sie beim Mission E?
Wir sind komplett im Plan für das Jahr 2019. Wir fahren bereits Prototypen des Mission E. Auch die Petrolheads in unserem Unternehmen steigen nach einer Fahrt aus und sagen: "Das ist ein echter Porsche". Aber das Zusammenspiel zwischen neuem Karosseriebau, Lackiererei, Aggregatebau und Montage bei den extrem beengten Verhältnissen in Zuffenhausen ist natürlich eine riesige Herausforderung. Parallel produzieren wir im Stammwerk so viele Zweitürer wie noch nie.
Ist das Diesel-Thema bei Porsche ausgestanden?
Traditionell spielt der Selbstzünder bei uns eine untergeordnete Rolle, der Anteil liegt weltweit unter 15 Prozent. Obwohl wir selbst keine Diesel entwickeln und produzieren, übernehmen wir als Fahrzeughersteller natürlich die volle Verantwortung. Wir haben die behördliche Freigabe für die notwendigen Korrekturen beim Porsche Cayenne V6 Diesel erhalten und arbeiten das zügig ab. Gleichzeitig haben wir interne Prozessänderungen eingeführt, um uns für die Zukunft noch sicherer aufzustellen und um einwandfreie Produkte zu gewährleisten. Wir nehmen jeden Hinweis ernst und prüfen sorgfältig. Wenn es etwas gibt, was nicht okay ist, dann bringen wir das in Ordnung.
Trotzdem haben Sie sich gegen ein schnelles Ende des Diesels entschieden?
Gerade bei den SUVs ist der Diesel in Europa für lange Strecken beliebt. Auch der Cayenne wird daher im kommenden Jahr mit einem Diesel-Sechszylinder kommen. Unabhängig davon wird der Diesel in Zukunft nicht mehr den Stellenwert des Ottomotors oder des Elektroantriebs erreichen. Wir werden genau beobachten, wie sich die Nachfrage entwickelt. Überstürzte Entscheidungen sind nicht zu erwarten.
Wie schwer ist es, die CO2-Grenzwerte der EU bis 2030 zu erreichen?
Es ist herausfordernd für die gesamte Industrie. Aber wir sind in der Verpflichtung gegenüber der Umwelt. Bisher haben wir es geschafft, jede Generation von Verbrennungsmotoren nochmals deutlich effizienter zu machen. Und der Mission E wird nicht das letzte reine Elektrofahrzeug von Porsche gewesen sein. Wir sind also sehr zuversichtlich, die Vorgaben nach 2021 einhalten zu können.
Sie sind schon länger für einen Posten im Konzernvorstand im Gespräch. Wann tut sich da was?
Das muss der Aufsichtsrat entscheiden. Ich bin absolut zufrieden mit der aktuellen Situation. Ich bin als Gast wöchentlich im Konzernvorstand vertreten und bringe die Porsche-Aspekte ein. Es hat keinen Einfluss darauf, wie ich mit den anderen Konzernmarken zusammenarbeite.
Und wenn Herr Porsche kommt und sagt, übernehmen Sie bei Audi in Ingolstadt. Wären Sie bereit?
Ich bin hier in Zuffenhausen sehr glücklich und habe bei Porsche den tollsten Job der Automobilindustrie. Wir haben so viel vor bei Porsche, deshalb denke ich überhaupt nicht darüber nach.
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