München. Autoversicherungen, die auf günstige Policen mit Schadenregulierung in bestimmten Werkstätten setzen, folgen womöglich nicht dem richtigen Trend. Eine aktuelle Studie des Instituts für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig (IfVW) zeigt nun, dass ein verbesserter Service im Kampf um die Kunden erfolgreicher als niedrige Prämien sein kann. Die Befragung von mehr als 250 Versicherten hat ergeben, dass für 62 Prozent von ihnen guter Service wichtiger ist als ein niedriger Preis. Jeder Dritte der Befragten würde für besseren Service auch eine höhere Prämie in Kauf nehmen.
Mit besserem Service gegen Preisdruck
"Insbesondere in der Kfz-Versicherung sind die Ansprüche der Kunden und die Bereitschaft, den Versicherer zu wechseln, seit der Deregulierung des deutschen Marktes im Jahr 1994 spürbar gestiegen", schreibt Studienleiter Thomas Köhne. Vor allem die jüngeren Autofahrer sind laut Studie bereit, ihren Versicherer zu wechseln. Deshalb erwartet Köhne künftig vermehrt Versicherungswechsel. Das beste Argument der Versicherer wäre dann ein guter Service im Schadenfall, weil dieser von 97,6 Prozent der Befragten als "sehr wichtiges" oder "wichtiges Auswahlkriterium für die Kfz-Versicherung" genannt wird. Der niedrige Preis der Policen erreicht hier 94,4 Prozent Zustimmung.
Vor allem ihre Kommunikation müssen die Versicherer deutlich verbessern: "Von den informierten Kunden wurde nicht einmal die Hälfte (46 Prozent) von ihrem Versicherer ausführlich über dessen Leistungen informiert." Stattdessen mussten sie sich die nötigen Informationen selbst beschaffen. Im Schadenfall erwarten die Versicherten laut Köhne neben der Information über ihre Ansprüche vor allem eine schnelle Bearbeitung und Bezahlung des Schadens. "Die Kunden wollen lieber 90 Prozent ihrer Ansprüche schnell erfüllt bekommen als ihren Gesamtanspruch nach langer Zeit", sagte Köhne bei der Vorstellung der Studie.
Damit die Versicherer ihre Kunden halten können, müssen sie laut Köhne deren Erwartungen nicht nur erfüllen, sondern übertreffen. Eine gute Möglichkeit sei es, den Kunden während der Reparaturzeit einen Mietwagen zu Verfügung zu stellen. 74,4 Prozent der Befragten sehen dies als "wichtig" oder "sehr wichtig" an. Amerikanische Mietwagenfirmen sind hier schon einen Schritt weiter. "Sie hören den Polizeifunk ab und schicken sofort einen Mitarbeiter an den Unfallort. Somit können sie den Schaden von Beginn an regeln", sagt Jack Cope, Vizechef der Mietwagenfirma Enterprise in Deutschland. Als amerikanischer Marktführer im Mietwagengeschäft arbeitet Enterprise mit 49 der 50 grössten Versicherer der USA zusammen.
Für deutsche Versicherungen ist der Polizeifunk tabu, aber auch sie wollen Unfallschäden frühzeitig in ihr Netz von Partnerwerkstätten steuern. Da sie den Werkstätten grosse Schadenmengen zusichern können, sind diese bereit, niedrigere Stundensätze zu akzeptieren. Vorreiter der Branche in der Schadensteuerung ist die HUK-Coburg. Mit ihrer Police "Kasko Select" können die Kunden 15 Prozent der Prämie sparen. Dafür akzeptieren sie, dass ihr Fahrzeug zur Reparatur in eine Partnerwerkstatt der HUK-Coburg kommt. Nach eigenen Angaben konnten die Coburger seit 2001 etwa 250.000 Schäden mit einem Volumen von 450 Millionen Euro steuern.
Die Partnerwerkstätten müssen durchschnittliche Stundensätze von 55 Euro akzeptieren, um ins Netz der HUK-Coburg aufgenommen zu werden. Zudem ist zu erwarten, dass in der Folge auch andere Versicherer ihre Stundensätze verringern werden, da sie in der Mischkalkulation der Werkstätten die HUK-Coburg und andere Anbieter mit Schadensteuerung nicht subventionieren wollen.