München. Die anhaltende Erfolgsgeschichte von Jaguar Land Rover setzt den Autobauer unter Zugzwang: Er braucht dringend zusätzliche Produktionskapazitäten, weil die drei bestehenden Werke in Großbritannien an ihre Grenzen stoßen. Nun kommen die britischen Luxusmarken des indischen Konzerns Tata Motors der Entscheidung für ein neues Werk in Europa näher. Favoriten bei der Standortwahl sind Polen und die Slowakei. Der Neubau soll rund 1,85 Milliarden Dollar kosten, umgerechnet knapp 1,7 Milliarden Euro. Für Polen wäre es die bislang größte Investition der Autoindustrie, wie Vize-Ministerpräsident Janusz Piechocinski bei einer Pressekonferenz sagte. Im Wettbewerb mit der Slowakei kann Polen laut Zahlen des Verbands der Automobilindustrie (VDA) die deutlich niedrigeren Arbeitskosten für sich reklamieren: 8,79 Euro pro Stunde betragen sie in Polen, 10,57 Euro in der Slowakei und 25,31 Euro in Großbritannien, dem Mutterland von Jaguar Land Rover.
Weltweiter Netzausbau
Jaguar Land Rover äußerte sich noch nicht konkret zur Wahl des nächsten Produktionsstandorts, es sei noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden, hieß es vom Unternehmen. Man prüfe weiterhin weltweit Möglichkeiten, die Produktion künftig auszubauen. Dafür sei Europa eine attraktive Möglichkeit, aber es sei eben nur eine Region, die man in Betracht ziehe. Die erste Fabrik außerhalb Europas hatte Jaguar Land Rover im Oktober eröffnet. Sie steht in China und wird mit dem Joint-Venture-Partner Chery betrieben. Jährlich können dort 130.000 Fahrzeuge gebaut werden. In Brasilien soll im kommenden Jahr eine weitere Fabrik eröffnen, auch eine Fertigung in Mexiko soll für die Briten infrage kommen.
Magna fertigt in Graz
In den vergangenen fünf Jahren hat der Autobauer seine Verkaufszahlen mehr als verdoppelt, 2014 waren es 462.000 Fahrzeuge. Damit dieses Wachstumstempo beibehalten werden kann, sind die Briten gerade eine Partnerschaft mit dem Auftragsfertiger Magna Steyr eingegangen. Die Österreicher werden am Standort Graz Modelle fertigen, die noch nicht am Markt sind. Welche Modelle dies sein werden, teilten die Unternehmen nicht mit. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge soll es sich um ein SUV-Crossover unterhalb des angekündigten Geländewagens Jaguar F-Pace handeln.
Auszuschließen ist, dass es bei der Partnerschaft mit Magna um den Bau eines autonomen Fahrzeugs geht, denn dieser Zukunftstechnologie erteilte Forschungs- und Entwicklungschef Wolfgang Epple jüngst im Gespräch mit Automotive News, der Schwesterzeitung der Automobilwoche, eine klare Absage: Jaguar Land Rover wolle zwar autonome Fahrfunktionen integrieren, um den Fahrer zu entlasten. Ein voll autonomes Fahrzeug sei aber nicht das Ziel. Dem Fahrer die Kontrolle über das Auto zu nehmen, passe nicht zu Jaguar Land Rover. Schließlich sei es ein emotionales Erlebnis, ein Auto zu steuern. Jaguar und Land Rover seien Marken, die für das Fahrerlebnis stehen. „Wir entwickeln keinen Roboter, der Fracht von A nach B bringt“, sagte Epple.