Bad Dürkheim. Vor 36 Jahren wurde Porsche als erster Fahrzeugbauer auf die Aluminiumräder von ATS aufmerksam. Mittlerweile beliefern die Bad Dürkheimer alle großen Autohersteller, von Audi über Mercedes bis Volkswagen. Automobilwoche sprach mit Siegfried F. Teichert, der 18 Jahre lang Vorstandsvorsitzender von ATS war und seit Jahresbeginn die Gesellschafterfamilie Stahlschmidt vertritt.
Herr Teichert, seit 1998 ist die ATS-Gruppe mehrheitlich im Besitz des südafrikanischen Räderbauers Tiwheels. Wie hat sich das Geschäft seither entwickelt?
Wir sind sehr stark gewachsen, vor allem dank neuer Werke im Ausland. 1998 haben wir im polnischen Stalowa Wola eine Fabrik gebaut, die von Beginn an erfolgreich war. Dafür wurden wir sogar vom polnischen Ministerpräsidenten ausgezeichnet. Es ist heute unsere größte Fabrik mit einer Produktionskapazität von drei Millionen Rädern im Jahr.
Lief der Einstieg in das Räderwerk im südafrikanischen Babelegi ähnlich erfolgreich?
Die deutsche Gesellschafterin hat dem Kauf des Tiwheels-Werks in Südafrika zugestimmt, um Tiwheels eine Geschäftsbereichsstruktur zu ermöglichen. Zuvor hatte ATS unter meiner Leitung das Werk bereits auf internationalen Standard gebracht.
Das letzte große Projekt Ihrer Zeit als Vorsitzender war der Einstieg in den US-Markt und der Umbau der ATS-Gruppe zum Global Player. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?
Mit dem Neubau unseres Werks in Alabama im Jahr 2003 und dem Kauf einer Fabrik in Kentucky 2005 ist es uns gelungen, auf dem amerikanischen Markt ernst genommen zu werden. Das hätten wir mit einem Werk allein nicht erreicht. Dadurch konnten wir so viele Aufträge akquirieren, dass wir bis über das Jahr 2010 hinaus ausgelastet sind. Daher stellt sich für ATS die Aufgabe, für zusätzliche Produktionskapazitäten zu sorgen.
Ist ein weiterer Ausbau der ATS-Gruppe geplant?
Vorrangig ist für uns jetzt die Konsolidierung des Erreichten.
Mit der Fabrik in Kentucky wollte ATS ins Blickfeld der amerikanischen Autobauer rücken. Warum ging man diesen Schritt zu einem Zeitpunkt, als die Detroit Three hohe Verluste einfuhren?
Das Werk in Alabama hat die ATS-Gruppe auf Initiative unseres Kunden Mercedes-Benz gebaut. Als sich die Auslieferung der M-Klasse verzögerte, hatten auch wir dadurch Lieferausfälle. Was Organisation und Ausstattung betrifft, haben wir in Alabama eines der modernsten Werke weltweit. Wir mussten aber wie andere Europäer auch erst einmal Lehrgeld bezahlen. Dass wir im Jahr 2005 das Werk in Kentucky erworben haben, lag daran, dass es gerade zum Verkauf stand und in unsere Strategie für den amerikanischen Markt passte.
Mit welchen Startproblemen hatte ATS in Amerika zu kämpfen?
In den USA herrscht eine völlig andere Mentalität. Die Amerikaner sind technisch hoch versiert, sie haben aber einen anderen Arbeitsstil. Die Mitarbeiter in den USA sind nicht trainiert, eigene Entscheidungen bei plötzlich auftretenden Problemen zu treffen. Der Arbeitsstil in der Autobranche Detroits ist zudem wesentlich administrativer, als wir es in Europa gewohnt sind.
Wie schwierig war es, den Räderbauer aus Bad Dürkheim zum Global Player umzubauen?
Es war problematisch, unseren Qualitätsbegriff auch in anderen Ländern durchzusetzen. Ich bin der Ansicht, dass er von unserer Kultur geprägt ist. Wir verbinden ihn vor allem mit Haltbarkeit und Präzision. Das kann man einem Mitarbeiter in Südafrika, Polen oder den USA nicht ohne Weiteres vermitteln. Auch große Autobauer haben gedacht, sie könnten ihre Vorstellung von Qualität als Anweisung von oben durchsetzen, aber das funktioniert so nicht. Um das im jeweiligen Land genauer zu verstehen, mussten wir das Lehrgeld akzeptieren.
Wie haben Sie das Verhältnis zwischen Autoherstellern und Zulieferern bei ATS erlebt?
Die Hersteller müssten weit offener für gemeinsame Planungen sein. Stetig die Preisschraube weiter anzuziehen und dabei höhere Leistungen zu fordern, funktioniert nicht. Sie sollten uns schon bei der Planungsphase eines neuen Modells ins Boot holen, so wie es bei anderen Fahrzeugteilen auch gemacht wird. Dann wären Einsparungen auf beiden Seiten möglich.
Von ATS stammt das erste Leichtmetallrad im Niederdruckguss-Verfahren und die erste Serienfertigung von Magnesiumrädern. Mit welchen Neuigkeiten werden Sie künftig aufwarten?
Wir werden bald kleine Serien wirtschaftlich fertigen. In einer selbst entwickelten Produktionszelle können wir bereits kleine Losgrößen flexibel herstellen. Dies ist mit Sicherheit die Zukunft in der Produktion von Aluminiumrädern.
Das Interview führte Matthias Karpstein.