München. Michael Saitow ist in Polen angekommen. Der Geschäftsführer von Tyre24, einer Online-Plattform für Reifenhändler, hat am 31. Januar sein neuestes Projekt gestartet: die polnische Variante von Tyre24.de. Den deutschen Reifenhandel hat Saitow mit seinem Geschäftsmodell bereits kräftig in Bewegung gebracht, ohne selbst auch nur einen einzigen Pneu verkauft zu haben. Er listet auf seiner Internetseite die Angebote von mittlerweile 80 Großhändlern. Die Einzelhändler können dann über Saitows Seite beim Großhandel bestellen. Dafür zahlen sie eine monatliche Gebühr von 22 Euro.
"Dieses Geschäftsmodell ist durchaus erfolgreich", sagt Peter Hülzer, Vorsitzender des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV). Laut Saitow werden über Tyre24 mittlerweile mehr als zehn Prozent (4,5 Millionen) aller Reifen in Deutschland gehandelt. Schon in wenigen Monaten soll der Marktanteil auf 15 Prozent gestiegen sein.
In Polen will Saitow bereits im ersten Jahr schwarze Zahlen schreiben. Selbstbewusst formuliert er: "Ich hoffe, dass wir mit dem Start in Polen einen weiteren Meilenstein der Reifengeschichte gesetzt haben." Die nächsten Schritte hat Saitow schon geplant: Noch in diesem Jahr will er eigene Internetportale für Österreich und Frankreich eröffnen. BRV-Vorstand Hülzer traut Tyre24 sogar den Gang an die Börse zu. Saitow sagt, er denke noch nicht an einen Börsengang, "aber ich kann ihn auch nicht ausschließen."
Dass der Internet-Reifenhandel bereits etabliert und erfolgreich genug ist, um den Schritt aufs Börsenparkett zu wagen, hat im vergangenen Jahr Delticom bewiesen. Der Aktienkurs ist seit Verkaufsstart Ende Oktober um 19 Prozent von 37 Euro auf 44 Euro gestiegen. Delticom bezeichnet sich selbst als Europas führenden Internet-Reifenhändler, gemessen am online erzielten Umsatz. 57 Mitarbeiter kümmern sich um die mehr als 60 Internet-Reifenläden in mittlerweile 25 europäischen Ländern, den USA und Kanada. In Japan wird zudem gerade ein Online-Shop getestet. Welche Bedeutung das Internet für den Reifenhandel hat, wurde von Delticom sehr schnell erkannt. Erst 1999 wurde das Unternehmen überhaupt als Großhändler tätig, bereits im Jahr darauf ging man ins Netz.
Während Tyre24 nicht direkt an den Endkunden verkauft, sondern als Mittler zwischen Großhandel und Einzelhandel fungiert, macht Delticom den Großteil seines Geschäfts mit Privatkunden. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres entfielen 88 Prozent des Umsatzes auf den Verkauf an Autofahrer, zwölf Prozent wurden im Großhandel umgesetzt. Im gleichen Zeitraum 2005 war der Großhandel mit 19 Prozent noch etwas bedeutender.
Mittlerweile ist auch Tyre24 dem Endkunden einen Schritt näher gekommen, obwohl man das direkte Geschäft mit ihm noch immer scheut. Im Oktober hat Tyre24 dazu die Reifenbörse24 übernommen und daraus www. reifensuchmaschine.de gemacht. Die Website ist noch in der sogenannten Beta-Phase. Sie soll den Einzelhändlern, die bereits über Tyre24 einkaufen, einen neuen Weg zum Endkunden öffnen. Der Nutzer kann auf der Internetseite zwar seine Reifen nicht direkt kaufen, aber nach Händlern in seiner Umgebung suchen. Der Kauf findet dann vor Ort beim Einzelhändler statt, der ihm die Reifen auch montiert.
Viele Reifenhändler haben die Bedeutung des Internets erkannt und einen eigenen Online-Shop eingerichtet. Es wäre für sie allerdings nicht rentabel, hohe Summen auszugeben, um in Suchmaschinen wie Google weit oben zu erscheinen - und so im Netz stärker wahrgenommen zu werden. Die Reifensuchmaschine nimmt ihnen einen Teil der Werbeanstrengungen ab und erweitert den potenziellen Kundenkreis. Vom direkten Geschäft mit den Reifenkäufern will Saitow aber auch künftig die Finger lassen: "Daran habe ich kein Interesse."