München. Stefan Bratzel vom Center of Automotive der FHDW Bergisch Gladbach hat untersucht, was Kunden über 50 Jahre von Fahrzeugen und Werkstätten erwarten. Automobilwoche sprach mit ihm darüber, wie gut die Autoindustrie auf ältere Kunden vorbereitet ist.
In der Kommunikation der Autohersteller ist allenfalls von "Best Agern" oder "Silver Agern" die Rede. Nehmen die Autobauer ältere Kunden überhaupt wahr?
Die Kunden über 50 Jahre sind im Marketing sicher noch unterrepräsentiert. Bislang werden diese Käufer wie jede andere Kundengruppe behandelt, was nicht angemessen ist.
Warum fällt den Herstellern die Ansprache älterer Autofahrer so schwer?
Es gibt zum einen das biologische Motiv. Bei Kunden ab 60 Jahre geht man davon aus, dass sie nur noch ein Auto kaufen. Zudem lässt sich mit der Jugend leichter werben. Zumindest hat man sich an die Werbung mit älteren Menschen noch nicht gewagt. Dabei hat die heutige Generation der "Best Ager" nichts mehr mit der früheren Kukident-Generation zu tun. Diese Veränderung müssen auch die Hersteller wahrnehmen.
Wie sollten ältere Kunden in der Kommunikation angesprochen werden?
Vorsichtig muss man dabei schon sein. Ein Kunde ab 60 Jahre will zwar besonders gut behandelt werden, aber keineswegs den Eindruck bekommen, als Behinderter wahrgenommen zu werden. Deshalb will auch niemand ein Seniorenauto, das auch so benannt wird. Aber es sollte die Eigenschaften haben, die Ältere wünschen.
Welche Möglichkeiten gibt es, ältere Kunden zu gewinnen?
Die Händler müssten für diese Klientel und deren besondere Anforderungen gesondert geschult werden. In diese Richtung wird noch viel zu wenig getan. Dabei sind gerade die älteren Kunden bereit, für bessere Beratung auch mehr zu zahlen. Hier wird noch Umsatzpotenzial verschenkt.
Haben ältere Kunden auch im Service besondere Ansprüche?
Sie wollen auf jeden Fall stärker als langjährige Kunden wahrgenommen werden. Es wäre auch gut, sie mit ihrem Namen zu begrüßen. Der Serviceberater sollte die Geschichte des Kunden und seines Fahrzeugs kennen. Deshalb wollen die Älteren einen festen Ansprechpartner, den sie bei Problemen anrufen können.
Berücksichtigen dies die Werkstätten bereits?
Kaum, davon ist man häufig noch weit entfernt. Die Serviceberater sind dafür noch zu sehr Techniker und verstehen sich nicht als aktive Verkäufer. Dabei müssten sie einen älteren Fahrer mit einem alten Wagen gleich dem passenden Neuwagenverkäufer vorstellen.
Welche Angebote könnten die Autohäuser speziell ihren älteren Kunden machen?
Es ist bekannt, dass diese Zielgruppe häufig reist, weil sie Zeit und Geld dafür hat. Deshalb ist es erstaunlich, dass dies bislang nicht genutzt wurde. Die Autohäuser könnten mit Reiseunternehmen zusammenarbeiten und ihren Kunden Mobilitätspakete anbieten. Es wären Innovationen möglich, die über das bisher im Handel Gebotene weit hinausgehen. Die Autoindustrie ist hier im Vergleich zu anderen Industriezweigen aber noch nicht sehr weit.
Das Interview führte Matthias Karpstein.