Frankfurt/Main. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, rechnet auch in den nächsten drei bis fünf Jahren mit ungünstigen Wechselkursen für die deutsche Autoindustrie. Anstatt die entstehenden Kostennachteile durch drastische Sparprogramme und Produktionsverlagerungen auszugleichen, rät der Ökonom den Autoherstellern, mit Qualität und Innovationen höhere Preise für die Fahrzeuge durchzusetzen.
Herr Walter, die deutschen Automobilhersteller klagen schon seit Längerem über den schwachen US-Dollar und die Schwäche des japanischen Yen. Wann ist denn Ihrer Meinung nach die Schmerzgrenze erreicht?
Beim Dollar ist die Schmerzgrenze bei einem Kurs von 1,30 Dollar für einen Euro schon längst überschritten. Das ist eine Abweichung von 20 Prozent zum fairen Wert, den ich bei 1,10 Dollar sehe. Dass sich das Wehklagen in der Industrie derzeit noch in Grenzen hält, liegt an der guten wirtschaftlichen Entwicklung in anderen Weltregionen, die den schwachen US-Markt überdeckt. In einem Jahr dürfte die Situation aber noch viel schlimmer sein.
Mit welchem Dollarkurs rechnen Sie denn in den nächsten drei bis fünf Jahren?
Wechselkursprognosen sind immer schwierig und man kann schnell daneben liegen. Dennoch glaube ich, dass eine Reihe von Argumenten, wie das nicht mehr tragbare Leistungsbilanzdefizit von 800 Milliarden Dollar, für einen anhaltend schwachen Wechselkurs in der Spanne zwischen 1,30 und 1,50 Dollar sorgt.
Gibt es denn wenigstens beim Yen eine Aufwertung, die für eine Entlastung sorgen könnte?
Der Yen war bis vor Kurzem unterbewertet. Bei 1,50 Yen pro Euro dürfte der faire Wert liegen. Eine Prognose möchte ich derzeit nicht wagen. Das Leistungsbilanzdefizit spricht für eine höhere Bewertung, die Zinsdifferenz zum Euro eher für eine weitere Schwächephase. Die deutsche Automobilindustrie täte aber gut daran, nicht auf einen steigenden Yen zu hoffen.
Den Japanern wird immer wieder unterstellt, der Wechselkurs würde absichtlich niedrig gehalten, um sich Exportvorteile gegenüber den Europäern zu verschaffen.
Das trifft in keinster Weise zu. Die Yen-Schwäche der vergangenen Jahre hat ihre Ursache in den niedrigen Zinsen. Da es in Japan aber praktisch keine Inflation gibt und die heimische Nachfrage gering ist, gibt es keine makroökonomischen Argumente für eine Zinserhöhung. Dies wäre aus Sicht der Japaner höchst unvernünftig, weil sie damit ihre eigene Wirtschaft abwürgen würden.
Frankreich fordert deshalb schon seit Langem, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen senkt, um den Export anzukurbeln. Glauben Sie, dass die EZB interveniert?
Ich glaube nicht, dass dies sinnvoll wäre. Und ich erwarte auch nicht, dass die Europäische Zentralbank dies tut.
Bleibt damit der deutschen Automobilindustrie nichts anderes übrig, als im Inland drastisch Kosten zu sparen und die Produktion von Fahrzeugen in den Dollar-Raum beziehungsweise in Billiglohn-Länder zu verlagern?
Zu den Aufgaben eines Managers gehört es, permanent für Kostensenkungen zu sorgen. Allerdings zeichnet sich die deutsche Automobilindustrie nicht gerade dadurch aus, zu niedrigsten Kosten zu produzieren. Anstatt eines Kostenwettbewerbs sollten sich die Vorstände der deutschen Unternehmen vielmehr auf die eigenen Stärken besinnen: Das heißt, gute, sichere und prestigeträchtige Automobile zu bauen, für die man am Markt einen höheren Preis erzielen kann. Wir sollten die Alleinstellungsmerkmale stärker verteidigen und so den Kostendruck besser ertragen. Das gilt insbesondere für die Premiumanbieter.