Hamburg/Stuttgart. Der hohe Dieselpreis sorgt bei Kunden für zunehmende Verunsicherung und könnte sogar die CO2-Ziele der EU gefährden. „Die deutsche Automobilindustrie kann die Klimaziele der EU niemals schaffen, wenn der Dieselanteil rückläufig ist", prognostiziert Ulrich Dohle, Leiter der Dieselaktivitäten von Autozulieferer Bosch. Das gehe nur, wenn die bisherige Quote bei den Neuzulassungen von über 50 Prozent gehalten werde, besser sei sogar ein Anstieg auf 60 Prozent.
Derzeit sorgt in Deutschland der hohe Diesel-Preis an der Zapfsäule für Unsicherheit bei privaten Autokäufern und Flottenmanagern. Noch ist nicht abzusehen, ob der Benzinmotor tatsächlich den Selbstzünder zurückdrängen wird - auch wenn sich bei einzelnen Marken wie VW und im Flottengeschäft von Mercedes eine solche Tendenz bereits abzeichnet. Eine wichtige Rolle spielt dabei die geplante, aber noch längst nicht erreichte Umstellung der Kfz-Steuer auf den CO2-Ausstoß: Da der Diesel 25 Prozent weniger Klimagas emittiert als ein vergleichbarer Benzinmotor, würde die neue Besteuerung dem Selbstzünder wieder deutlichen Rückenwind verschaffen. Wie die CO2-Steuer wirkt, zeigt das Beispiel Frankreich: Dort stieg der Dieselanteil innerhalb weniger Monate um fast zehn Prozentpunkte auf 78 Prozent an.
In Deutschland hingegen sind die Autokäufer ins Grübeln gekommen. „Die Frage, ob die Anschaffung eines Diesel-Pkw überhaupt noch lohnt, verschärft die allgemeine Unentschlossenheit", beschreibt ein norddeutscher VW-Händler die Lage. Im Privatkundensegment kippe die Entwicklung gerade deutlich in Richtung moderner TSI-Benziner mit Direkteinspritzung.
Auch bei Flottenkunden zeichnet sich ein Umdenken ab. Die Deutsche Bahn beispielsweise bestellt Kleinwagen vermehrt als Benziner. Auch die Zahlen des Marktforschungsinstituts Dataforce vom April belegen den Schwenk bei professionellen Fuhrparks. Der Dieselanteil bei der Mercedes-Benz B-Klasse etwa sank von 86,4 Prozent auf 71,1 Prozent. Auch bei Volumenmodellen von Audi, Opel und Skoda gibt es Rückgänge.
Die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Dekra-Flottenexperten Thilo Jörke unterstreicht diese Entwicklung: „Bei den meisten Volumen-Autos stehen die Zeichen klar auf einen Umstieg in Richtung Benzinaggregat." Der Preisnachteil lasse sich nur noch mit großen Kilometerleistungen hereinfahren. „Mit den heutigen Preisen ist der Diesel tot", so Jörke.
Dagegen kommt Bosch ähnlich wie der Automobilclub ADAC zu einer anderen Einschätzung: Ein Diesel lohne sich aufgrund des Verbrauchsvorteils zwischen einer Jahreslaufleistung von 10.000 und 25.000 Kilometern. Auch mit Blick auf die 2013 geltende Abgasnorm Euro 6 ist Bosch-Manager-Dohle optimistisch: „Die Grenzwerte stellen weder technisch noch wirtschaftlich eine unüberwindbare Hürde dar. Der Euro-6-Diesel wird nicht teurer als das aktuelle Euro-4-Aggregat." Seiner Ansicht nach werden moderne Benzin-Direkteinspritzer herkömmliche Saugrohreinspritzer verdrängen, nicht aber Dieselaggregate. Mercedes-Händlersprecher Peter Ritter sieht auch in Zukunft bei großen Limousinen und SUVs den Diesel im Vorteil: „Der Dieselanteil bei Mercedes wird sogar noch zunehmen."
www.automobilwoche.de/diesel