Aachen gilt in der deutschen Autoindustrie als Elite-Uni - auch wenn die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen diese Auszeichnung im Wettbewerb knapp verfehlt hat. Im Wintersemester 2007 wird der Maschinenbau-Studiengang auf Bachelor- und Masterabschluss umgestellt. Wallentowitz sieht die Umstellung als willkommene Gelegenheit, neue Vorlesungen anzubieten und alte Veranstaltungen aus dem Programm zu nehmen, "die nur noch aus Gewohnheit gehalten worden sind". Auf die Unternehmen sieht er mit dem neuen Studiensystem allerdings eine große Herausforderung zukommen: "Daran muss sich die Industrie erst noch gewöhnen. Wenn man den Unternehmen heute Weiterbildungen für ihre Mitarbeiter anbietet, reagieren sie häufig sehr zurückhaltend."
Wallentowitz sähe es am liebsten, wenn alle Bachelor-Absolventen bis zu ihrem Masterabschluss an der Hochschule blieben und nicht für einige Jahre in die Industrie wechselten. "Aber den Gefallen werden sie uns nicht tun, weil sie sich nach einigen Arbeitsjahren daran gewöhnen, Geld zu verdienen." Um die Weiterbildung nach dem Bachelor dennoch zu ermöglichen, müssten entweder am Wochenende Kurse stattfinden oder die Firmen ihre Mitarbeiter für das Masterstudium freistellen.
Masterkurse für deutsche Studenten wollte der 63-Jährige bereits früher anbieten, aber die Unternehmen lehnten seinen Vorschlag ab, weil sie den besser ausgebildeten Absolventen kein höheres Gehalt zahlen wollten. "Dass die Studenten dann auch mehr wissen, wird nicht ernst genommen. Es geht nur um das Abwehren von Gehaltsforderungen."
Wallentowitz, der das IKA seit 13 Jahren leitet, steht mancher Entscheidung in den Unternehmen der Automobilbranche kritisch gegenüber. Dennoch hat er nicht aufgehört, sich als Teil von ihr zu fühlen. Sieben Jahre lang war er bei Daimler-Benz Abteilungsleiter in der Pkw-Vorentwicklung, dann wechselte er zu BMW und wurde dort Hauptabteilungsleiter für die Fahrwerk-Vorentwicklung. Wenn er heute über die Fortschritte in der Fahrzeugtechnik spricht, erzählt er, was "wir alles verbessert haben".
Damit seine Studenten diese Entwicklung spüren können, setzt er sie in Mercedes-Oberklassefahrzeuge. Bis zur aktuellen S-Klasse hat er eine Sammlung von Modellen der letzten 40 Jahre am IKA zusammengetragen. "Die Heckflosse von 1964 hat man zwar noch als technisch hervorragendes Auto in Erinnerung, aber wenn die Studenten heute damit fahren, können sie das kaum glauben." Am IKA hat das Praxiswissen hohes Gewicht, sieben Laborversuche müssen die Studenten vor ihrem Abschluss durchführen. Die Ergebnisse wandern nicht in den Papierkorb, denn die angehenden Autobauer werden in die Projektarbeit der Forschungsgesellschaft eingebunden.
Herzstück der Aachener Ausbildung ist die Verbindung zwischen Institut (IKA) und Forschungsgesellschaft (FKA). Die FKA ist juristisch unabhängig vom Institut, die Universität trägt also nicht das wirtschaftliche Risiko. Ohne die Arbeit des FKA wäre das Institut nicht zu finanzieren, denn von den 65 wissenschaftlichen Mitarbeitern werden nur sieben von der Hochschule bezahlt. Aus Auftragsarbeiten für die Autoindustrie kommen die restlichen Gehälter. Die Projektarbeit für Hersteller, etwa Audi und Ford, oder Zulieferer wie ZF Friedrichshafen wird von der FKA erledigt und macht rund zwei Drittel der Aufträge aus. Öffentliche Forschung, meist im Auftrag der Europäischen Union, übernimmt das Institut.
Die Verzahnung von Wissenschaft und Praxis ist an der RWTH Grundlage der Ausbildung. Wallentowitz merkt an der Zahl der Forschungsaufträge, wie es der Automobilindustrie gerade geht. "Die wissenschaftliche Freiheit, einfach mal loszuarbeiten, verbietet sich ganz schnell, denn dann ist man pleite, bevor man es sich versieht", sagt der Institutsleiter. Sein Netzwerk in der Branche hilft ihm, Aufträge zu bekommen. "Eine gewisse Bekanntheit braucht man schon", sagt Wallentowitz.