Stuttgart. Der zum Daimler-Konzern gehörende Premiumhersteller Mercedes-Benz will das bisher auf Westeuropa beschränkte Kleinwagengeschäft auf Schwellenländer ausdehnen. „Wir werden das Kleinwagengeschäft ganz sicher nicht aufgeben – auch im Hinblick auf Marktpotenziale in Asien“, sagte COO Schmückle im Interview mit Automobilwoche. „Ich denke durchaus, dass der Nachfolger der A- und B-Klasse in Asien oder Osteuropa eine Nische finden kann und wir dort präsent sein werden.“ Die nächste Modellgeneration der beiden kleinsten Mercedes-Modelle steht wahrscheinlich 2011 an. Im Gegensatz zur aktuellen Version dürfte das aufwendige Sandwichboden-Konzept wegfallen, der Frontantrieb aber beibehalten werden.
Exklusiv: Mercedes will mit neuer A- und B-Klasse nach Asien
Nach der Trennung von der US-Tochter Chrysler will die neue Daimler AG vor allem das Geschäft mit Premium-Pkw ausbauen und gleichzeitig die Ertragsstärke deutlich steigern. Für den Konzern, zu dem im Wesentlichen noch das Nutzfahrzeuggeschäft gehört, hat Daimler-Chef Dieter Zetsche eine durchschnittliches Wachstum von jährlich fünf bis sechs Prozent als Zielmarke herausgegeben. Weil die Mercedes-Produktpalette bereits weit aufgefächert ist und die etablierten Absatzregionen in den nächsten Jahren eher stagnieren dürften, müssen die Stuttgarter die Expansion in neue Märkte vorantreiben. Um vom schnell wachsenden Volumenmarkt in Schwellenländern zu profitieren, braucht Mercedes wettbewerbsfähige Kleinfahrzeuge.
„Wir müssen für die Nachfolgegeneration der A- und B-Klasse Skaleneffekte mit anderen Mercedes-Baureihen erschließen“, so Schmückle. Dies betreffe das Fahrzeug ebenso wie die Komponenten. Einzellösungen wie in der aktuellen Generation sind seiner Ansicht nach angesichts der anstehenden Aufwendungen für den Klimaschutz und dem aktuellen Produktionsvolumen von jährlich annährend 300.000 Fahrzeugen kaum noch zu rechtfertigen. „Möglicherweise werden wir auch mit einem anderen Hersteller kooperieren, um Skaleneffekte zu erzielen“, stellte der 49-jährige Wirtschaftsingenieur klar. Eine Entscheidung dazu gebe es aber noch nicht.
Keine Frage ist für Schmückle hingegen, dass der asiatische Markt nur mit einem voll ausgebauten Werk und lokalen Lieferanten zu bedient ist: „Ich glaube nicht, dass man heutzutage über eine Entfernung von mehreren tausend Kilometern Lieferketten effizient und zuverlässig aufrecht erhalten kann.“ Dies gelte von Europa nach Asien und auch im umgekehrten Fall. Angesichts des Wachstumspotenzials in Asien und Osteuropa muss sich Mercedes deshalb die Frage stellen, „ob wir nicht eines Tages die Produktion in China weiter aufbauen und die Bausatzmontage in Indien irgendwann zu einem vollen Werk mit lokalen Zulieferern ausbauen“. Auch in Osteuropa sei dies eine prinzipielle Option, falls der Markt dort weiter zulege.
Mercedes verfügt derzeit über vier Montagewerke in Südostasien und eines in Indien, wo zur Vermeidung hoher Importzölle importierte Bausätze der C-, E- und S-Klasse zusammengefügt werden. In China laufen ebenfalls C- und E-Klassen vom Band, dort ist Mercedes gerade dabei , den von der Regierung geforderten Anteil lokaler Lieferanten zu erhöhen. Die Produktion der aktuellen A-Klasse im eigens dafür gebauten Werk in Brasilien wurde eingestellt, weil das Fahrzeug sich als zu teuer für den dortigen Markt erwiesen hat.