Stuttgart. „Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, wem die Rechte an einem patentierten Produktionsverfahren gehören“, stellt der vorläufige Insolvenzverwalter Grub im Gespräch mit der Automobilwoche klar. Er lässt keinen Zweifel, dass er das Verfahren als Eigentum der Gesellschaft betrachtet und an der Weiternutzung die Zukunft von Erwin Behr hängt. Dies gilt sowohl für eine Sanierung mit den aktuellen Eigentümern als auch für einen Verkauf. „Wir haben konstruktive Gespräche geführt und vereinbart, gemeinsam an einer schnellen Lösung zu arbeiten“, so Ralf Schöpker vom Finanzinvestor Buchanan Industrial Technologies, der ein Drittel an dem Unternehmen hält.
Exklusiv: Insolvenz - Ringen um Lösung bei Erwin Behr
Auch für manchen Automobilhersteller ist der Erhalt des Spezialisten für Innenraum-Zierteile von großer Wichtigkeit. Da Erwin Behr häufig exklusiver Lieferant ist, hätte ein Produktionsausfall schmerzhafte Folgen. Besonders betroffen wäre Mercedes-Benz: Die Stuttgarter verwenden Innenraum-Zierteile aus Edelholz in der C-Klasse, im Roadster SLK sowie in den SUVs M- und G-Klasse . Einem Unternehmenssprecher zufolge verfügt Mercedes über keinen zweiten Lieferanten. Laut Grub ist die Produktion in den kommenden Wochen allerdings gesichert: „Bis Weihnachten wollen wir zu einem Ergebnis kommen und sehen, wie es mit dem Unternehmen weiter geht.“
Neben dem Mittelstandsfonds L-EA aus Baden-Württemberg halten außerdem der Münchner Finanzinvestor Buchanan Industries Technologies sowie der Schweizer Vermögensverwalter Quellen AG je ein Drittel an dem in Wendlingen bei Stuttgart ansässigen Zulieferer. „Neue Aufträge haben Investitionen von 25 Millionen bis 30 Millionen EUR notwendig gemacht. Diese sollten im Wesentlichen über Fremdkapital finanziert werden. Das haben wir nicht hinbekommen“, begründet Schöpker den Insolvenzantrag. Der für den Mittelstandsfonds des Landes Baden-Württemberg verantwortliche Heinrich Polke war für eine Stellungnahme auf Anfrage nicht zu erreichen.
Schwere Vorwürfe erhebt Sieghard Bender, 1. Bevollmächtigter der IG Metall im Bezirk Esslingen. Seiner Darstellung nach versuchten die Gesellschafter vor der Insolvenz, das Patent für das so genannte Lackgießverfahren zu verkaufen. Dieses serienreife Verfahren, bei dem Edelholz in hochwertige Zierteile eingebettet werden kann, stellt den wahren Wert des Unternehmens dar. Ob Grub nun eine Lösung mit den Altgesellschaftern anstrebt oder sich für einen Verkauf entscheidet, ist noch offen. „Es gibt Interesse aus der Automobilbranche und von Finanzinvestoren“, so der Insolvenzverwalter. Schöpke zufolge sind alle Optionen im Gespräch, wobei ein Verkauf die derzeit wahrscheinlichere Variante sei.
Erwin Behr verfügt über drei Standorte: Die Zentrale in Wendlingen, wo bisher noch produziert wird. Die Fertigung in bayerischen Wallerstein bei Nördlingen sowie die Tochter in Rapid Hills im US-Bundesstaat Michigan. Außerdem unterhält das Unternehmen eine kleine Einheit in Japan, die das Geschäft mit den japanischen Herstellern ausbauen soll. Im Jahr 2006 schrieb das Unternehmen einen Umsatz von 20 Millionen Euro. Zum Verlust gibt es unterschiedliche Angaben: Während die Gesellschafter von einer „knapp zweistelligen Summe“ sprechen, nennt die IG Metall einen Betrag von rund 20 Millionen Euro.