München. Die neue Chemikalienverordnung der Europäischen Union, mit der Abkürzung REACH bezeichnet, könnte Europas Reifenbranche auf dem Weltmarkt ins Hintertreffen bringen: "REACH ist für uns ein zusätzlicher Aufwand. Für die gesamte europäische Reifenindustrie bedeutet REACH einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten aus den USA und Asien", sagt Karin Czech-Scharif-Afschar, Leiterin der Industriehygiene bei Continental und Mitglied des Arbeitskreises "Europäische Chemikalienpolitik".
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel sieht in REACH "eines der ambitioniertesten umweltpolitischen Rechtssetzungsvorhaben in der Geschichte der EU". Für die Reifenhersteller und deren Zulieferer bedeutet die Verordnung (siehe Kasten) allerdings zusätzlichen Aufwand und damit höhere Kosten. REACH verlangt von ihnen den Nachweis, dass die Chemikalien "sicher, verantwortungsvoll und umweltfreundlich verwendet werden", sagt Joeri Leenaers vom Europäischen Verband der Gummi-Industrie (BLIC).
Die verwendeten Produktionsstoffe müssen dazu künftig bei der Europäischen Chemikalienagentur in Helsinki registriert werden. Dabei sind laut dem Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (WDK) weniger die Gebühren für die Registrierung das Problem als vielmehr das Sammeln der nötigen Daten: "Die Beschaffung fehlender oder die Aktualisierung bestehender Daten zu Stoffeigenschaften, die für die Registrierung erforderlich sind, führen zu einem hohen Kostenaufwand", heißt es beim WDK.
Betroffen sind davon in erster Linie die Zulieferer der Pneu-Hersteller. Aber auch die Reifenproduzenten selbst sind gefordert. Sie müssen den Zulieferern mitteilen, wie in der Reifenherstellung mit den Produktionsstoffen verfahren wird. Auch jede Änderung muss ihnen mitgeteilt werden. Der WDK sieht darin einen Wettbewerbsnachteil für die deutsche Reifenindustrie: "Weil für Stoffe in EU-Erzeugnissen die totale Registrierungspflicht gilt, sind importierte Produkte klar im Vorteil."
Problematisch ist vor allem die Registrierung von Stoffen, die nur in kleineren Mengen produziert werden. In diesen Fällen ist die Zulassung für den Lieferanten nicht immer rentabel. Continental will in solchen Fällen auf Ersatzstoffe ausweichen, sofern dies möglich ist. "Sollte es keine geeigneten Ersatzstoffe geben, müssen wir mit unserem Zulieferer über eine eventuelle Beteiligung an den Registrierungskosten sprechen", sagt Czech-Scharif-Afschar, REACH-Expertin bei Continental.