Detroit. Fünf Monate nach dem Einstieg von Fiat bei Chrysler liegt nun der Rettungsplan für den US-Hersteller auf dem Tisch. "Es gibt bei Chrysler kein business as usual mehr, sondern nur noch die Verpflichtung zum Wandel“, sagte Chairman Robert Kidder bei der achtstündigen Vorstellung des Konzepts. Der Aufsichtsrat vertraue darauf, dass man zu alter Wettbewerbsstärke zurückfinde. In nackten Zahlen ausgedrückt: Chrysler soll am Ende der Sanierung im Jahr 2014 einen Umsatz von rund 68 Milliarden Dollar erreichen und dabei eine operative Umsatzrendite von 7,0 bis 7,7 Prozent schreiben. Um die Planziele zu erreichen, muss der US-Hersteller den Absatz von erwarteten 1,3 Millionen Fahrzeugen in diesem Jahr bis 2014 auf 2,8 Millionen Einheiten mehr als verdoppeln. Zum Vergleich: Die Marke Volkswagen verkaufte 2008 3,648 Millionen Pkw, erlöste knapp 74 Milliarden Euro und wies eine operative Marge von 3,7 Prozent aus.
Eine riskante 23-Milliarden-Dollar-Wette
"Einige haben geglaubt, wir würden noch immer Cash verbrennen. Das ist nicht wahr“, stellte Fiat- und Chrysler-Chef Sergio Marchionne klar. Seit Verlassen der Insolvenz am 10. Juni habe das Unternehmen einen Umsatz von 17 Milliarden Dollar und ein EBITDA von 200 Millionen Dollar erzielt. Insbesondere die Ausweitung der Produktpalette nach unten soll den Absatz treiben. "Die Volumenziele sind kaum zu erreichen“, urteilt dagegen Autoanalyst Aaron Bragman von IHS Global Insight.
Die Annahme, dass Chrysler den geplanten US-Marktanteil von derzeit neun auf etwas über 13 Prozent ausbauen könne, erscheine extrem unrealistisch. Entscheidend werde sein, ob die kurzfristige Erneuerung der Modellpalette im Wettbewerb mit General Motors, Ford und ausländischen Herstellern beim Kunden erfolgreich sei. Für Branchenbeobachter steht fest, dass der Chrysler- Plan wesentlich zur Entscheidung von General Motors beigetragen hat, Opel zu behalten.
Auf einen einfachen Nenner gebracht besteht das Sanierungskonzept im Zeitraum von 2010 bis 2014 aus zwei Phasen. Innerhalb der ersten 14 Monate sollen 75 Prozent der bestehenden Modellpalette überarbeitet und aufgewertet werden. Ziel: Der dramatische Absatzeinbruch mit einem Minus von 39 Prozent in den ersten neun Monaten dieses Jahres soll gestoppt werden. Auf operativer Basis will Chief Financial Officer Richard Palmer schon im kommenden Jahr die Gewinnschwelle erreichen, die er bei 1,65 Millionen verkauften Fahrzeugen sieht.
Dies ist entscheidend für die zweite Phase, wenn ab 2012 erste Fahrzeuge der Marken Chrysler, Jeep, Dodge und RAM auf den Markt kommen, die auf Plattformen des italienischen Herstellers basieren und dessen Powertrain- Technologie nutzen. Denn fast die gesamten Investitionen in Anlagen und neue Produkte von jährlich 4,5 (kumuliert 23) Milliarden Dollar sollen durch den Cashflow des laufenden Geschäfts finanziert werden. Während die Investitionen 2010 noch aus der geplanten Liquiditätsreserve von sieben Milliarden Dollar gestemmt werden, rechnet Palmer ab 2011 mit einem positiven Cashflow, der sich bis 2014 auf rund 15 Milliarden Dollar summieren soll.
Zentrale Säule des Rettungsplans ist die enge Verzahnung mit Fiat, wobei Marchionne Wert darauf legt, dass der finanzschwache italienische Hersteller selbst kein Geld bei Chrysler einsetzt. "Fiat wird drei Plattformen mit Chrysler teilen“, so Engineering-Chef Scott Kunselman. Damit steige das durchschnittliche Volumen pro Plattform von 125.000 auf 305.000 Einheiten. Außerdem erhält Chrysler die Fiat-Vierzylinder- Benziner und wird im Export auch die Dieselmotoren einsetzen. Ende 2010 soll das neue trockene Doppelkupplungsgetriebe im Sebring oder Avenger Einzug halten. Bis 2014 soll so der Flottenverbrauch um 25 Prozent sinken. Durch eine gemeinsame Einkaufsorganisation ähnlich wie bei Renault-Nissan wird ein jährliches Beschaffungsvolumen von 68 Milliarden Dollar entstehen. "Insgesamt planen wir Kosteneinsparungen von 2,9 Milliarden Dollar bis 2014. Davon sollen 500 Millionen Dollar bereits 2010 Jahr realisiert werden“, kündigte Einkaufschef Daniel Knott an.