Sindelfingen. Bereits eineinhalb Jahre bevor Mercedes-Benz die Bauanträge für eine neue Pkw-Fabrik stellt, können die Planer das Werk bereits virtuell betreten, jeden einzelnen Montageschritt an der Fertigungslinie simulieren und sehen, wie die neuen Modelle vom Band laufen. "So lassen sich nicht nur enorme Kosten einsparen. Wir sind dadurch auch in der Lage, qualitativ noch ausgereiftere Fahrzeuge zu einem früheren Zeitpunkt auf den Markt zu bringen", sagt Rainer Eißrich, im Pkw-Werk Sindelfingen Abteilungsleiter "Digitale Fabrik".
Hinter diesem Begriff verbirgt sich das mittlerweile einzige Planungsinstrument, das die Fahrzeugentwicklung mit der zentralen Produktionsplanung verbindet. Während noch vor vier Jahren nur die CAD-Daten der Konstruktion in dreidimensionaler Form darstellbar waren und sich die Produktionsplaner durch Excel-Dateien und Papierzeichnungen wühlten, gibt es nun eine Simulationssoftware, die eine gesamte Fabrik simuliert - als sei das Werk für die Internet-Welt Second Life bestimmt.
Das Bild entsteht auf der sogenannten "Powerwall", einem Bildschirm von der Größe eines Fußballtors. Mittels 3-D-Brillen können die Entwickler sowie die Produktions- und Fabrikplaner bei ihren regelmäßigen Sitzungen die komplett ausgestattete Fabrik betreten und Verbesserungen in die Wege leiten. "Entscheidend ist dabei, dass wir parallel zum Entwicklungsprozess arbeiten und Erkenntnisse aus der Fabriksimulation in das künftige Fahrzeug zurückfließen", so Eißrich. Zum Beispiel prüft das System im Rohbau in einem bis zu zwei Tage dauernden Rechenlauf automatisch, welche Schweißzangen aus dem Standardrepertoire am wirtschaftlichsten sind. In der Montage werden mithilfe virtueller Mitarbeiter sämtliche Arbeitsschritte unter Ergonomie- und Kostenaspekten simuliert. Nach dem Bau erfolgt umgekehrt wieder ein Abgleich der Realität mit den Daten.