München. Mit den Rückrufen bekommen die Autohersteller die Quittung für Fehler in der Vergangenheit, aber auch für neue, hausgemachte Probleme. Zum einen sorge die enorm gestiegene technische Komplexität für mehr Fehlermöglichkeiten, erläutert CAM-Chef Stefan Bratzel. Zum anderen trage das höhere Tempo in der Entwicklung seinen Teil bei: „Der große Zeitdruck in der Produktentwicklung wirkt sich negativ auf die Qualitätssicherung aus.“ Und da die Zulieferer inzwischen 75 Prozent der Wertschöpfung im Automobilbau ausmachten, liege bei ihnen immer mehr Verantwortung. Doch die Lieferanten stehen unter wachsendem Preisdruck, den sie teilweise auf Kosten der Qualität „bewältigen“. Die massive Ausweitung der Rückrufe ist aber vor allem auf die rasant fortschreitende Gleichteile- und Baukastenstrategie der Hersteller zurückzuführen. Volkswagen will bekanntlich die Zahl der Modelle pro Plattform mithilfe des Modularen Querbaukastens (MQB) fast verdreifachen, ähnliche Konzepte verfolgen aber auch viele andere Hersteller. „Den Grundstein für Qualität legt man im Einkauf“, betont Yannick Bézard, Einkaufschef von PSA. „Unser Motto lautet: Zuerst kommt die Qualität. Das ist die Lehre, die wir aus den vielen Rückrufen der letzten Zeit ziehen.“ Vor allem die alten Werke in Westeuropa müssten zulegen: „Wir beobachten, dass in der Industrie die neuesten Werke am saubersten arbeiten. Und die stehen in Osteuropa oder in Asien.“ Nissan-Europa-Chef Paul Willcox plagen unterdessen noch ganz andere Sorgen: Zwischen tatsächlicher und empfundener Qualität klaffe bei Nissan noch eine Lücke: „Wir haben bei Qualität und Technologie ein sehr hohes Niveau. Aber das müssen wir noch viel besser erklären.“
Rückrufe
Ein Alarmsignal für die ganze Branche
Maxime Picat, Chef der Marke Peugeot, spricht die Risiken offen an: „Solche Rückrufe sind für die ganze Branche ein Alarmsignal. Das wünscht man wirklich niemandem“, sagt Picat zur Rückrufwelle, deren gigantische Ausmaße derzeit Autohersteller und Zulieferer gleichermaßen erschüttern. Denn einer aktuellen Studie des Center of Automotive Management (CAM) zufolge wurden im ersten Halbjahr 2014 allein in den USA 37,2 Millionen Pkw zurückgerufen – nach 11,1 Millionen im Vorjahreszeitraum. Damit wurden bis Ende Juni in den USA viereinhalbmal mehr Fahrzeuge zurückgerufen als verkauft. Die größte Rückrufquote hatte General Motors, gefolgt von Toyota, Tesla und Ford.