München. Die deutsche Hochschullandschaft ist im Umbruch, seit 1999 von den europäischen Bildungsministern der sogenannte Bologna-Prozess mit den neuen Abschlüssen Bachelor und Master ins Leben gerufen wurde. Was diese Umstellung für die Automobilindustrie bedeutet und welche Anforderungen an heutige Absolventen gestellt werden, wollte die Automobilwoche von Thomas Sattelberger, dem Personalchef von Continental wissen.
Herr Sattelberger, welchen Weg würden Sie heute als Abiturient gehen, um den Einstieg in die Automobilindustrie zu schaffen?
Ich würde mich für einen dualen Bachelor-Studiengang entscheiden, wie ihn auch Continental anbietet. Dann könnte ich bereits mit 21 oder 22 Jahren mein eigenes Geld verdienen und betriebliche Verantwortung übernehmen. Inzwischen gibt es sehr viele Möglichkeiten des Einstiegs. Die klassischen eindimensionalen Ausbildungswege sind heute - zum Vorteil für den Interessenten - löchrig wie Schweizer Käse.
Welche Qualifikationen muss ein Bewerber mitbringen, um für eine verantwortungsvolle Position geeignet zu sein?
Im Kern suchen wir Persönlichkeiten, daran hat sich in den letzten 30 Jahren nichts geändert. Fremdsprachenkenntnisse und Auslandserfahrung sind seit Langem ebenso Normalität wie ein guter Studienabschluss. Wir wollen Bewerber, die Lust und Leidenschaft für Beruf und Produkt mitbringen.
Flexibilität und Mobilität werden von Berufsanfängern gefordert, dennoch rekrutieren Hersteller und Zulieferer viele ihrer Mitarbeiter aus dem nahen Umfeld. Wie passt das zusammen?
Sicher haben wir einen Trend hin zum Stabilitätsdenken, das "Hotel Mama" mit Vollversorgung ist wieder gefragter. Aber es muss ja nicht jeder Mitarbeiter ins Ausland. Die Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern erklären, warum sich ein Auslandsaufenthalt lohnen kann. Wir haben unsere Rückkehrer befragt und festgestellt, dass mehr als die Hälfte einen Karrieresprung gemacht hat.
Mit dem Bologna-Prozess wandelt sich die deutsche Hochschullandschaft. Nutzt die Industrie die Gelegenheit, um mehr Einfluss auf die Ausbildung zu nehmen?
Nicht intensiv genug. Die Firmen müssen sich überlegen, wie sie ihre Bildungspolitik auf Bologna einstellen. Etliche Unternehmen nutzen ihre Chancen nicht, obwohl sie lange gejammert haben, von den Hochschulen nicht den geeigneten Nachwuchs zu bekommen.
Was sind die Gründe für diese Zurückhaltung?
Nun, die Voraussetzung dafür, dass Unternehmen in der Bildungspolitik Akzente setzten können, ist, dass sie die nötigen Kompetenzen haben. Früher gab es bei großen Unternehmen eigene Einheiten für Bildungspolitik, aber vieles wurde reduziert oder eingestellt. Firmen konzentrieren sich auf diesem Gebiet oft nur noch auf das aktuell Dringliche und vergessen das strategisch Notwendige.
Mangelt es vielleicht an der Kooperationsbereitschaft der Hochschulen?
Eigentlich nicht, da hat es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gegeben. Die Hochschulen öffnen sich der Praxis immer mehr. Manchmal könnte allerdings das Projektmanagement verbessert werden, denn die Zusammenarbeit funktioniert nur dann, wenn beide Seiten mit gleicher Logik arbeiten. Wir müssen auch den Wechsel zwischen Wirtschaft und Hochschule erleichtern. Man sollte prüfen, ob Praktiker häufiger als Professoren auf Zeit arbeiten können. Leider ist es noch die Ausnahme, dass ein Professor wie Joachim Milberg Vorstandsvorsitzender von BMW wird.
Continental arbeitet mit einem Netzwerk von acht internationalen Universitäten zusammen. Wo stehen die deutschen Absolventen im internationalen Vergleich?
Viele Unternehmen schielen zwar auf internationale, oft amerikanische Universitäten mit ihren Jahresbudgets von vielen Hundert Millionen Dollar, aber unsere Abgänger sind im Vergleich mit deren Absolventen absolut wettbewerbsfähig.
Das Interview führte Matthias Karpstein