München. Mit einer Vielzahl neuer Modelle will Deutschland an die Spitze der Elektromobilität fahren. Bis Ende des Jahrzehnts soll die Reichweite der Autos auf rund 500 Kilometer pro Ladung steigen. Nachholbedarf gibt es aber bei der Infrastruktur.
Das Leid mit dem Laden
Anfang Juli 2016 existierten in Deutschland rund 6500 öffentlich zugängliche Ladepunkte, darunter etwa 230 Schnellladestationen. Sie müssen genügen für60.000 elektrische Fahrzeugeauf den Straßen, von denen rund 24.000 Plug-in-Hybride sind. Knapp zehn E-Autos teilen sich also rein rechnerisch eine öffentliche Stromtankstelle.
Hinzu kommen die privaten Lademöglichkeiten, etwa in heimischen Garagen oder am Arbeitsplatz. Bisher konzentrieren sich die Stromtankstellen auf die großen Metropolregionen wie Berlin, Hamburg, München, das Ruhrgebiet oder Stuttgart. Im ländlichen Raum dagegen ist das Netz wesentlich dünner. Wer keine eigene Garage mit Stromanschluss hat, tut sich schwer.
Im Jahr 2011 haben sich die europäischen Autohersteller auf einheitliche Standards für Ladestecker verständigt: Für das Laden mit Wechselstrom auf den Typ-2-Stecker, für das Schnellladen mit Gleichstrom auf den Combo-2-Stecker. "Bei neuer Technik gilt es, nicht zu früh zu standardisieren, denn man will ja die beste Lösung", sagt Franz Loogen von der E-Mobil-Landesagentur Baden-Württemberg.
Aus einer Haushaltssteckdose kommen nur 2,3 Kilowatt. Ein E-Golf ist damit in etwa zehn Stunden geladen. Mit einer speziellen Wallbox und 3,4 Kilowatt dauert es rund acht Stunden. Die meisten öffentlichen Ladepunkte mit Wechselstrom haben eine Leistung von 22 Kilowatt. Eine Schnellladung beim E-Golf funktioniert aber nur mit Gleichstrom. Bei einer Leistung von 50 Kilowatt ist der Golf in einer halben Stunde zu 80 Prozent aufgeladen. Ab 2017 soll es für Autos mit größeren Batterien Stationenmit 150 Kilowattgeben. Geladen werden kann künftig auch berührungslos per Induktion.
"Unsere Erfahrung zeigt, dass 80 Prozent der E-Autos daheim oder am Arbeitsplatz aufgeladen werden, 15 Prozent an halböffentlichen Stromtankstellen wie etwa auf Parkplätzen von Supermärkten und nur fünf Prozent an rein öffentlichen Ladesäulen", sagt Franz Loogen. Um den Menschen auch die Langstreckennutzung zu ermöglichen, seien vor allem Schnellladesäulen an den Verkehrsschlagadern in Deutschland notwendig.
Dafür bedürfe es geeigneter Flächen an Raststätten sowie des Ausbaus des Stromnetzes. Ganz wesentlich für den Gebrauch ist die einfache Bezahlung. Immerhin ist es heute möglich, über ein Roaming-Modell analog zum Mobilfunk an fast allen Ladestationen Strom zu tanken. "Der Wildwuchs bei den Karten ist vorbei", sagt Loogen. Bezahlt werden kann über Apps auf dem Smartphone, spezielle Tankkarten oder aber direkt mit Kredit- oder EC-Karte.
Bisher gibt es einen bunten Mix an Betreibern, darunter die öffentliche Hand, die großenEnergieversorgerund private Anbieter. Das Problem: "Noch ist es sehr schwierig, das richtige Geschäftsmodell zu entdecken", sagt Loogen. So kostet eine Gleichstrom-Schnellladetankstelle bis zu 35.000 Euro. Getankt wird derzeit aber noch wenig.
Loogen vergleicht die Situation mit den Anfängen im Internet. "Da wussten auch noch viele nicht, wie sie Geld verdienen sollen." Denkbar sind sogenannte Komplementärgeschäfte, etwa in Verbindung mit Parken oder dem Einzelhandel, der sich davon Kundenbindung verspricht. Verbessern wird sich die Situation nach Einschätzung der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) von 2020 an. Bis dahin sinken die Investitions- und Betriebskosten, die Zahl der Ladevorgänge erhöht sich.
Die NPE geht davon aus, dass in Deutschland bis 2020 rund 70.000 öffentliche Ladepunkte sowie 7100 Schnellladestationen benötigt werden. Weil das Ziel der Bundesregierung von einer Million Elektrofahrzeugen bis Ende des Jahrzehnts kaum mehr zu erreichen ist, dürfte auch der Ausbau langsamer vorangehen. Wer die Infrastruktur letztlich schaffen soll, ist dabei unklar. Die deutschen Autohersteller haben auf demAutosalon in Parisnicht nur neue E-Autos mit großer Reichweite angekündigt, sondern auch Gespräche über eine Beteiligung amAusbau des Schnellladenetzesgeführt.
Daimler-Chef Dieter Zetsche beispielsweise hält dies zwar grundsätzlich für eine Aufgabe des Staats. Dennoch sagte er: "Ich schließe nicht aus, dass wir uns im Rahmen eines Katalysators dort beteiligen werden." Das Bundesverkehrsministerium hatte im Mai angekündigt, den Aufbau von weiteren 15.000 Ladestationen von 2017 bis 2020 mit 300 Millionen Euro zu fördern. Darunter sollen auch 5000 Schnellladestationen sein.