CO2-Vorgaben für den Handel per Bonus-Peitsche

Eigentlich ist Thomas Peckruhn ein geduldiger Mensch. Derzeit aber ist der Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) richtig sauer. "Das ist der größte Unsinn, den ich jemals gehört habe", sagt derŠkoda-Händler aus Sachsen-Anhalt. Es gehe um den Kern des Autohandels. Peckruhn: "Wenn die Hersteller die geplanten CO2-Bonussysteme so umsetzen, richten sie ihr Netz hin."

Vom Jahr 2020 an werden sich die Chancen für den Autohandel, im Neuwagengeschäft Geld zu verdienen, laut Peckruhn dramatisch verschlechtern. Mit ihm ­befürchten das Tausende Autohändler in Deutschland und die meisten Händlerverbände.

Zahlreiche Hersteller wollen ihre Händler in die Pflicht nehmen und sie durch entsprechend gestaltete Bonussysteme dazu bringen, weniger spritfressende SUVs und deutlich mehr teil­elektrifizierte oder vollelektrische Modelle zu verkaufen. Die Elek­tromodelle ermöglichen es den Herstellern nämlich, während ­einer Übergangszeit sogenannte "Supercredits" beim CO2-Ge­schacher zu verbuchen, wodurch sie hohe CO2-Werte anderer ­Modellvarianten kompensieren können. Sonst drohen Strafzahlungen an die EU.

Jürgen Tauscher, Vorstands­vorsitzender der Fahrzeug-Werke Lueg, einem der größten Mercedes-Händler in Deutschland, der auch Volvo im Portfolio hat, sieht in den geplanten Bonussystemen eine bedrohliche Entwicklung. Das stelle den Neuwagenhandel insgesamt infrage: "Einer unserer Hersteller – und da spreche ich nicht von unserer Hauptmarke – geht mit dem Ansinnen an die Händler, der Handel müsse sich an den gestiegenen Kosten durch die Elektromobilität beteiligen. Dies kann ichnicht nachvollziehen, da die Ertragssituation durch die Elek­tromobilität für den Handel definitiv nicht besser, sondern eher schlechter wird."

Im PSA-Management ist man sich im Klaren darüber, dass man damit neue Spielregeln im Neuwagengeschäft einführt: "Dies ist eine deutliche Veränderung zur bisherigen Steuerung und erfordert auch von unseren Handelspartnern ein Umdenken."

Doch das soll sich laut Opel-Deutschland-Chef Ulrich Selzer lohnen: "Für unsere Händler bieten die neuen Zielvorgaben die Möglichkeit, bei entsprechender Performance spürbar mehr zu verdienen als in der Vergangenheit – wenn sie die Elektromobilität erfolgreich leben und die CO2-Emissionen unter den Zielvor­gaben halten." Allerdings gesteht man auch bei PSA ein, dass dies wohl noch eine Zeit lang nicht so einfach sein wird, denn erst ab 2025 werden alle Fahrzeuge der Gruppe in einer elektrifizierten Version im Showroom stehen.

Beim Opel-Händlerverband VDOH will sich Vorstandssprecher Peter Müller derzeit noch nicht zu der CO2-Problematik ­äußern. Er verweist auf laufende Gespräche mit dem Hersteller.

ZDK-Vize Peckruhn pfeift auf diplomatische Wendungen. "Natürlich ist der Handel bereit dazu, elektrifizierte Modelle ins Portfolio zu nehmen – aber man kann die Händler nicht dafür in Haft nehmen, wenn der Kunde am Ende des Tages ­etwas anderes kaufen will als den Corsa-e oder den ID.3. Deshalb ist die CO2-Minderung in erster ­Linie ein Produktthema, und das ist Aufgabe der Hersteller."

Laut Peckruhn haben die Hersteller offensichtlich ihre Hausaufgaben nicht gemacht und zum Stichtag kaum entsprechende Modelle im Angebot. "Schließlich sind die ab 2020 geltenden Grenzwerte schon lange bekannt. Doch erst jetzt kommen die ersten Produkte auf den Markt, die diese Grenzwerte erfüllen." Tatsächlich stammt die EU-Verordnung Nr. 443/2009 aus dem Jahr 2009.

Hinzu kommt bei vielen Marken das Problem, dass die besonders verbrauchsarmen Motor­varianten und erst recht die Elek­tromodelle in zu geringer Stückzahl verfügbar sind. Peckruhn: "Für den Handel ist das nicht akzeptabel, denn eine Bonifizierung wird nicht auf die Bestellung ­gezahlt, sondern erst auf die Auslieferung. Und die liegt bei den meisten E-Modellen mehrere Monate nach der Bestellung."

Auch Volkswagen und Audi drängen. Die Wolfsburger wollen vom 1. April an die Grund­marge ihrer Händler von bislang 15 auf zehn Prozent mindern und gleichzeitigden Bonus für voll- oder hybridelek­trische Fahrzeuge um 1,5 Prozent erhöhen. Allerdings verknüpft VW Pkw damit keine Vorgaben über einen spezifischen Antriebsmix, wie der Hersteller gegenüber der Automobilwoche betont. Händlerpräsident Dirk Weddigen von Knapp setzt voll auf die Attraktivität des Produkts:"Angesichts des enormen Interesses am ID.3 sehen die VW-Partner keine Veranlassung für spezielle Regelungen im Geschäft mit Stromern."

Bei Audi hat man konkrete Vorstellungen zum Anteil verkaufter E-Modelle. Dem Vernehmen nach war zunächst geplant, Händlern den höchstmöglichen Bonus bei einem E-Anteil von 25 Prozent auszuschütten, inzwischen ist die Quote nach Gesprächen mit dem Händlerverband auf 20 Prozent gesunken. Was im April letztlich gelten soll, ist jedoch noch Gegenstand von Gesprächen.

Auf der Ford-Händler­tagung war das Thema allgegenwärtig. Der Hersteller glaubt, ­genügend elektrifizierte Modelle anzubieten, sodass Händler ihre Ziele schaffen können. Doch ein Händler sagt:"Das geht nur, wenn ich überhaupt Modelle bekomme – und das steht in den Sternen."

Mitarbeit: Michael Gerster/Matthias Karpstein/Henning Krogh/ Burkhard Riering

Lesen Sie auch:

Klartext: Das unentbehrliche Autohaus

Spezial "Beste Autohaus Arbeitgeber"

Beste Autohaus Arbeitgeber: Der Geist der Aufmerksamkeit

Aus dem Datencenter:

Tops und Flops 2019