Was Continental und Aumovio nach der Trennung erwarten

Zum erstem Mal seit Dezember 2023 stellte sich Continental beim Kapitalmarkttag am 24. Juni den Fragen der Investoren. Mit Blick auf den Spin-Off der Automotive-Sparte hatte der Konzern die Veranstaltung zweigeteilt  – und die Aufspaltung des Konzerns verteidigt: Die globalen Herausforderungen seien enorm und für alle Geschäftsfelder unterschiedlich, weshalb es maßgeschneiderte Antworten benötige. 

Continental-CEO Nikolai Setzer und der scheidende Finanzvorstand Olaf Schick standen zu den Bereichen Tires und ContiTech Rede und Antwort, der zukünftige Aumovio-CEO Philipp von Hirschheydt informierte mit seinen designierten Vorstandskollegen die Anleger zu allen Themen rund um das demnächst eigenständige Automotive-Geschäft.

Im Fokus bei Continental steht der Verkauf von ContiTech. Der Konzern treibt seine Fokussierung auf das Reifengeschäft voran. Noch in diesem Jahr wird ContiTechs Automotive-Tochter OESL verkauft, im kommenden Jahr schließlich will sich Continental auch von der Industrie-Gummi-Sparte selbst trennen. 

"Era of Execution" nennt Setzer diese Phase, in der das Unternehmen durch Umbau zu neuer Stärke kommen will. Ein Teil davon: die Verkaufserlöse. Während die Abspaltung von Automotive kein Geld in die Kasse spült, soll die Trennung von ContiTech Barmittel bringen.

Zur Höhe der Erlöse und möglichen Käufern macht Continental allerdings noch keine Angaben, stellt für OESL aber Private Equity (Beteiligung an nicht-börsennotierten Unternehmen) in Aussicht. Das Interesse an der Sparte mit rund 1,9 Milliarden Euro Umsatz sei groß, so Continental-Vorstand Setzer.

Ohne den OESL-Anteil wäre ContiTech zuletzt auf einen Umsatz von rund 4,5 Milliarden Euro gekommen – eine Größenordnung, in der der mögliche Verkaufserlös für die Sparte liegen könnte. Die Kosten für die Trennung beziffert Setzer auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag.

Das eingenommene Geld soll in den Abbau von Schulden fließen, das Ziel ist eine Debt-to-EBITDA-Ratio (Verhältnis der Schulden zum EBITDA) von weniger als eins. Zum Teil könnte der Erlös aber auch in Form einer Sonderdividende an die Anleger des dann verbliebenen Reifen-Konzerns ausgeschüttet werden. 

Die Reifensparte selbst wiederum bereitet sich derzeit auf die Phase des "Pure Plays" vor, also die Konzentration auf ein Geschäft. Das Management geht davon aus, derart fokussiert zukünftig erfolgreicher wirtschaften zu können. Zukünftiges Wachstum erwartet die Sparte vor allem in Nordamerika und Asien, denkbar seien dort auch Zukäufe.

Für das laufende Jahr reduzierte Continental unter dem Eindruck des nach wie vor schwierigen Marktes, der von den USA erhobenen Zölle und aktuellen Wechselkursrisiken den Ausblick allerdings: Erwartet wird für die Reifensparte zwar weiterhin ein Umsatz von 13,5 bis 14,5 Milliarden Euro (2024: 13,9 Milliarden Euro), allerdings sinkt die Prognose für die EBIT-Marge von 13,3 bis 14,3 Prozent auf jetzt 12,5 bis 14 Prozent. 

ContiTech erwartet gegenüber der letzten Prognose rund 300 Millionen Euro weniger Umsatz (6,0 bis 6,5 Milliarden Euro), aber eine gleichbleibende Rendite von sechs bis sieben Prozent. In Summe geht der Konzern (ohne Aumovio) in diesem Jahr nun von rund 19,5 bis 21,0 Milliarden Euro Umsatz und einer bereinigten EBIT-Marge von rund 10,0 bis 11,0 Prozent (zuvor 10,5 bis 11,5 Prozent) aus.

Mittelfristig könnten diese Zahlen spürbar steigen. Continental formuliert für die kommenden drei bis fünf Jahre zwar keine Prognose, beziffert aber die Potenziale: Die liegen demnach bei Tires bei einem Umsatz von 14,5 bis 16 Milliarden Euro und einer Rendite von 13 bis 16 Prozent. ContiTech ohne OESL werden fünf bis sechs Milliarden Euro Umsatz und eine EBIT-Marge von 11 bis 13 Prozent zugetraut. 

Das nach 2026 verbleibende Reifengeschäft bezeichnet CEO Setzer als "sehr resilient", Reifen würden immer gebraucht werden, auch wenn beispielsweise Neuwagen-Verkäufe schwächeln. Die Branche wachse weniger stark als andere, liefere aber verlässliche Renditen und Cashflow, so Setzer.

Profitieren könnte die Branche zum einen von einem Trend zu größeren Reifen: Das Ebit pro verkauftem Reifen nimmt mit steigendem Durchmesser zu. Zum anderen stehen Lkw-Reifen hoch im Kurs, Experten gehen davon aus, dass das globale Marktvolumen von 197 Millionen Reifen im Jahr 2024 auf 226 Millionen 2029 steigt. Continentals Anteil von derzeit acht Millionen Reifen bietet noch Luft nach oben.

Die Rendite der Autosparte gab bislang weniger Grund zur Freude: 2024 waren es 2,5 Prozent. Langfristig will die ab September eigenständige Aumovio 24 Milliarden Euro Umsatz einfahren und eine Marge von sechs bis acht Prozent erreichen.

Mittelfristig strebt Auomovio einen Umsatz von 20 bis 22 Milliarden Euro und vier bis sechs Prozent Rendite an. Die R&D-Quote soll bis 2027 auf unter zehn Prozent, zukünftig sogar auf unter neun Prozent sinken.

An die Aktionäre sollen mittelfristig 10 bis 30 Prozent des Konzernergebnisses ausgeschüttet werden, Continental will seinen Ausschüttungskorridor nach dem Spin-Off auf 40 bis 60 Prozent des Konzerngewinns erhöhen.

Zuversichtlich stimmt den zukünftigen Aumovio-CEO Philipp von Hirschheydt eine Marktanalyse von Berylls, die davon ausgeht, "dass der Wert der Aumovio-Lösungen pro Fahrzeug in den Produktsegmenten des Unternehmens bis 2029 jährlich um durchschnittlich vier bis fünf Prozent wachsen wird"; das wäre mehr Wachstum als dem Fahrzeugmarkt selbst vorhergesagt wird.

Die finanzielle Basis für erfolgreiches Wirtschaften bekommt Aumovio vom Mutterkonzern mit auf den Weg: Zum 30. Juni ist die Autosparte mit Barmitteln in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ausgestattet, sämtliche Finanzschulden verbleiben zudem bei Continental. Philipp von Hirschheydt betont, kein Wettbewerber sei so stark aufgestellt.

Inhaltlich konzentriert sich Aumovio auf die vier Geschäftsfelder Autonomous Mobility, Architecture and Network Solutions (Hochleistungsrechner, Telematik, Betriebssysteme, Sensoren und Aktuatoren), Safety and Motion (Bremsen und Sicherheitssysteme) und User Experience (Displaylösungen und Head-up-Displays).

Über einen Verkauf des letztgenannten Bereichs wurde immer wieder spekuliert, derzeit gäbe es aber keine konkreten Pläne, hieß es.

Trotz aller Zuversicht bewegt sich auch Aumovio in einem wirtschaftlich herausfordernden Markt. Zum Vorteil könnte der Autosparte gereichen, dass sie schon länger auf lokale Wertschöpfung in Wachstumsmärkten setzt. Allein in China betreibt die zukünftige Aumovio mehrere Werke.

Ein Werk in den USA für hydraulische Komponenten für Benzinmotoren hat Continental Automotive hingegen im Zuge seines zuletzt strikten Sparkurses – unter anderem wurden über 10.000 Stellen abgebaut – bereits 2024 geschlossen; es ist einer von fünf nicht weitergeführten Standorten, drei davon in Deutschland (Gifhorn, Babenhausen und Karben).

In Anbetracht der aktuellen Zoll-Herausforderung könnte Continental diesen Schritt überdenken, eine Wiedereröffnung des sich nach wie vor in Conti-Hand befindlichen Werks ist aber alles andere als spruchreif und dürfte nicht die höchste Priorität haben.

Zuvor könnten Kapazitäten in anderen US-Werken weiter ausgeschöpft werden, zudem erden viele Produkte für die USA in Mexiko gefertigt und entsprechen den Regeln des Freihandelsabkommens USMCA.