Autoindustrie will gezielter Frauen ansprechen

London. Das edle Ambiente des Londoner Kensington-Palasts war wohlgewählt. Ebenso Kleid und Schuhe. Victoria Beckham stöckelte auf aberwitzig hohen Stilettos, farblich abgestimmt zum Cocktailkleid, über den Asphalt. Geladen hatte Autohersteller Land Rover, um zwei Neuheiten zu präsentieren: zum einen den Evoque, einen künftigen Gegenspieler von Audi Q5 und BMW X3. Und zum anderen Victoria Beckham, 35-jährige Gattin des englischen Fußballers David Beckham und nun "Creative Design Executive“ der Geländewagenmarke. Sie soll sich künftig um die Gestaltung der Innenausstattung kümmern. Ein Glamour-Girl der internationalen Klatschpresse als Autodesignerin? "Wir wollen künftig mehr Frauen für uns begeistern“, erklärt Carl-Peter Forster, Chef des indischen Tata-Konzerns, zu dem auch Land Rover gehört.

Frauen und Autos – das ist eine Verbindung, die der Autoindustrie Kopfzerbrechen bereitet. Denn Frauen haben sich auch für diese Branche zu einer wichtigen Zielgruppe entwickelt. Studien besagen, dass 80 Prozent aller Kaufentscheidungen künftig von Frauen getroffen werden, auch bei Autos. Schon heute herrscht beim Autokauf Gleichstand bei den Geschlechtern. Zu je 40 Prozent entscheiden Frauen und Männer beim Händler, welcher Wagen es sein soll, bei 20 Prozent wird gemeinsam ausgewählt. Das Dilemma: Noch bestimmen fast ausschließlich Männer, welche Autos gebaut werden und wie diese aussehen. Mit wenigen Ausnahmen.

BMW etwa sorgte im vergangenen Jahr für Aufsehen mit dem Z4, der fast vollständig von zwei Designerinnen entworfen worden war. Und vor einigen Jahren präsentierte Volvo die Studie "YCC“, ein elegantes Coupé, von Frauen gestaltet und auf weibliche Bedürfnisse abgestimmt, etwa mit besonders vielen Ablageflächen oder einer Mulde in der Kopfstütze für den Pferdeschwanz. Doch obwohl die Branche voll des Lobes war, wurde der Wagen nie gebaut. Unverständlich findet das zum Beispiel Doris Kortus-Schultes, Leiterin des Kompetenzzentrums Frau und Auto an der Hochschule Niederrhein: "Frauen leben anders als Männer, deshalb erleben sie auch im Auto manches anders.“ So sei beispielsweise die Gestaltung der Ladekante für Frauen enorm wichtig, denn dort müssen Einkäufe und Kinderwagen ins Auto verfrachtet werden.

Die von Männern dominierten Entwicklungsabteilungen aber tun sich offenbar schwer mit dem "Frauen-Auto“. "Autos für Frauen zu konzipieren, ist höchst schwierig“, sagt auch Lutz Fügener, Professor für Transportation Design an der Hochschule Pforzheim. So glaubten Männer oft, Frauen wollten nur kleine, bunte Autos fahren – "Smarties auf Rädern“, wie die Wochenzeitung "Die Zeit“ süffisant meinte. Doch auch Frauen mögen PS, Prestige – und eben Ablageflächen. So kommt es, dass die Autoindustrie gerne komplett an ihrer Zielgruppe vorbeikonzipiert. Bestes Beispiel ist der Jeep Grand Cherokee, ein massiges SUV, das als klassischer Männer-Wagen gedacht war. Nun wird das Modell überwiegend von Frauen gefahren. "Das Ding vermittelt Sicherheit, das gefällt den Frauen“, erklärt Fügener. Und bis nicht mehr Frauen an der Autoentwicklung beteiligt werden – in Pforzheim kommt auf 20 männliche Studenten eine Frau – muss man sich anderweitig behelfen. Ob sich die Zielgruppe allerdings ausgerechnet von Victoria Beckham überzeugen lässt, bleibt abzuwarten.