München. Die Zukunft steckt im Rad. Gezeigt hat sie Peugeot in seiner Stadtwagen-Studie BB1 auf der Michelin Challenge Bibendum im vergangenen Mai in Rio de Janeiro. Was den kleinen Franzosen, der 2013 in Serie gehen soll, so besonders macht, ist seine revolutionäre Konzeption. Trotz nur 2,50 Meter Außenlänge (wie der erste Smart) finden vier Personen im BB1 Platz, weil weder vorne noch hinten Raum für Motor und Getriebe benötigt wird. Der Antrieb sitzt in Form eines jeweils Konservendosen-großen Elektromotors in den hinteren Rädern. Beim Rangieren oder Wenden kann sogar ein Hinterrad vorwärts, das andere rückwärts bewegt werden, was den BB1 fast „auf dem Teller“ drehen lässt.
Ausgedacht hat sich die Radtechnik Michelin. Der französische Reifenhersteller und Erfinder des energiesparenden Leichtlaufreifens unterhält in der Schweiz ein Forschungscenter, in dem rund 70 Entwickler am Antrieb der Zukunft arbeiten und quasi das Rad neu erfinden wollen. Neben dem „Motorized Wheel“, wie es im Peugeot BB1 verbaut wird, liegen Michelins Hoffnungen noch auf einem weiteren maßgeschneiderten Antrieb für Elektroautos, dem „Active Wheel“. Hier arbeitet hinter dem Felgenkranz ein komplettes Modul, bestehend aus Bremse, E-Motor, elektronischer Federung und Dämpfung. „Designer rennen uns die Bude ein“, freut sich Entwickler Daniel Walser, „weil diese Konstruktion eine völlig neue Fahrzeugarchitektur möglich macht. Federbeine und Stoßdämpfer im herkömmlichen Sinne können entfallen.“
Als Versuchsträger für das Active Wheel dienen derzeit einige Opel Agila, die Michelin in Zusammenarbeit mit Heuliez aufgebaut hat. Zudem steckt das revolutionäre Rad im Venturi Volante. Ein Blick unter die Haube des „Heuliez Will“ zeigt dann auch nur ein kleines Steuergerät. Es kann jedoch Großes bewirken – den Wagen zum Beispiel sportlich- straff oder komfortabelweich fahren lassen. Das System reagiert in wenigen Tausendstelsekunden. Auch beim Bremsen und in Kurven arbeitet die Elektronik im Rad und stemmt sich gegen das sonst übliche Nicken und Wanken. Der Will bleibt stets waagerecht. Probleme mit zu viel Gewicht am Rad (ungefederte Massen) sieht Ingenieur Walser nicht.
„Das Active Wheel wiegt sogar weniger als eine übliche Standard- Radaufhängung.“ Die Autoindustrie zeigt im Zuge der beginnenden Elektromobilität Interesse am Michelin-Rad. „Es gibt mehrere Anfragen für Einsätze in der Vorentwicklungsphase“, bestätigt ein Sprecher. Ein ähnliches Konzept wie Michelin stellte Siemens VDO im Jahr 2006 mit dem Projekt eCorner vor. Antrieb, Lenkung, Dämpfung und Bremse sollten dabei direkt im Rad arbeiten. Mittlerweile wurde VDO an Continental verkauft. Siemens konzentriert sich derweil auf den reinen Radnabenmotor, sieht mittelfristig „durchaus einen Markt für diese Art von Elektroantrieb“, wie man es vorsichtig formuliert.
Die Continental-Division Powertrain dagegen hat das Projekt eCorner nicht weiter vorangetrieben. „Es gibt nichts wirklich Neues“, so eine Sprecherin. Es scheint, als wolle man warten, bis die Elektromobilität Fahrt aufnimmt. Eine Ursache könnte aber auch in der nicht ausgereiften Keilbremse liegen, die Siemens VDO beim Projekt eCorner eingeplant hatte. Hierbei schiebt ein kleiner Elektromotor einen Bremskeil zwischen Bremsbacken und Bremszange. Die Keilbremse (Brake-by- Wire) sollte eigentlich das hydraulische Bremssystem ablösen. Neue Ansätze soll es nun zusammen mit der Automotive-Sparte von Schaeffler geben.