München. Für die Automobilbranche ist es wie ein Déjŕ-vu: Die Euro-Krise geht weiter, erneut droht ein Staatsbankrott in den USA, das Wachstum in China schwächt sich ab. Die Weltwirtschaft kämpft zum Jahreswechsel mit exakt den gleichen Problemen wie schon vor zwölf Monaten. Nur mit einem Unterschied: Auch in Deutschland wird diesmal die Nachfrage schwächeln. In dieser Situation wagt die Automobilwoche- Redaktion einen Ausblick auf das nächste Jahr: Welche Unternehmen, welche Produkte, welche Manager werden in den nächsten Monaten zu den Gewinnern der Krise zählen? Welche Geschäftsmodelle, Vorstände und Fahrzeuge werden scheitern? Eines wird das Jahr 2013 sicher nicht: langweilig.
Und jährlich grüßt die Krisenangst
Top: Škoda dürfte vor einem äußerst erfolgreichen Geschäftsjahr stehen. Mit dem kompakten Octavia als Limousine und Kombi bringt die tschechische VW-Marke 2013 ihre weltweit meistverkaufte Baureihe in neuer Generation. Erstmals nutzt der Fünfsitzer den Modularen Querbaukasten des VW-Konzerns, auf dem auch der Golf VII basiert. Die neue Technik senkt etwa die Fertigungszeit erheblich und erleichtert die Entwicklung künftiger Derivate. Zudem hat Škoda seit Kurzem das preisgünstige Stufenheckauto Rapid im Programm, mit dem Markenchef Winfried Vahland unter anderem Kunden von Dacia, dem Low-Budget-Label von Renault, und vom koreanischen Konkurrenten Kia erobern will. Eine besonders geräumige Rapid-Version ist in Vorbereitung. Flott unterwegs bleibt Škoda in China: 2013 wird im Reich der Mitte unter anderem das kleine SUV Yeti eingeführt.
Flop: Der italienische Hersteller Fiat wird auch im kommenden Jahr unter der anhaltend schwachen Nachfrage im Heimatmarkt und in Südeuropa leiden. Fiat selbst rechnet mit einem Absatzrückgang von 1,8 auf 1,7 Millionen Autos. Das europäische Volumengeschäft dürfte 2013 wie bereits in diesem Jahr einen Verlust von rund 700 Millionen Euro einfahren. Vor 2015 rechnet Fiatund Chrysler-Chef Sergio Marchionne nicht mit dem Erreichen der Gewinnschwelle. Aufgrund der hohen Verschuldung muss er vor allem den massiven Cash-Abfluss eindämmen und Investitionen kürzen. Entsprechend leer ist die Produktpipeline. Mehr denn je kommt es nun auf Chrysler an: Nur die hohen Gewinne des US-Herstellers, bei dem Fiat nach dessen Insolvenz 2009 eingestiegen ist und nun 58,5 Prozent der Anteile besitzt, halten das italo-amerikanische Unternehmen über Wasser.Top: Der US-Navigations- und Infotainmentspezialist Harman hat sich frühzeitig auf den Trend zum vernetzten Fahrzeug eingestellt und erntet nun die Früchte: Der Auftragsbestand hat das Rekordniveau von 16 Milliarden Dollar erreicht. Vor wenigen Wochen hat Harman von General Motors eine Bestellung in Höhe von 900 Millionen Dollar erhalten. Der Erfolg des börsennotierten Unternehmens hat zwei wesentliche Gründe: Harman hat das eigene Produktportfolio von der traditionellen Premium- und Luxusnische auf das Volumensegment bis zum Low-Cost-Zweirad ausgeweitet und baut dabei für jedes Segment auf einen modularen Baukasten. Dies zahlt sich mittlerweile aus. Im laufenden Geschäftsjahr peilt Harman eine Marge zwischen knapp zwölf und bis zu 16 Prozent an – und das in einem Geschäftsfeld, in dem große Konkurrenten wie Continental und Bosch bislang praktisch kein Geld verdient haben.
Flop: Die geplante Mehrheitsübernahme des Klimatisierungsspezialisten Behr durch den Stuttgarter Nachbarn Mahle schleppt sich ins Jahr 2013 und belastet durch den ungewissen Fortgang die Planungen beider Zulieferer. Ursprünglich war der Hersteller von Motorkomponenten davon ausgegangen, Behr zu Beginn 2013 zu übernehmen. Doch da Behr in Verdacht steht, mit anderen Zulieferern Preise abgesprochen zu haben, liegen die Pläne für die Dauer der Kartellermittlungen in Europa und in den USA auf Eis. Zulieferer Behr droht eine Kartellstrafe in dreistelliger Millionenhöhe. Derzeit hält Mahle 36,85 Prozent an Behr. Mahle-Chef Heinz K. Junker hat mehrfach betont, dass sein Unternehmen unbeirrt die Übernahme der Behr-Mehrheit anstrebt.Top: Für Audi-Chef Rupert Stadler wird 2013 ein gutes Jahr: Sein Unternehmen dürfte dann schon das Absatzziel von 1,5 Millionen Autos erreichen, das eigentlich erst für 2015 angepeilt war. Dem Ziel, BMW als weltweit größte Premiummarke abzulösen, ist Audi unter Stadlers Führung schon ein großes Stück näher gekommen. "Wir sind auf Schlagdistanz“, hatte er auf dem Automobilwoche Kongress gesagt. Audi bleibt der mit Abstand wichtigste Ergebnislieferant im Volkswagen- Konzern. A3 Sportback und Limousine sorgen für ein weiteres Absatz-Plus. Seit Stadler Audi übernommen hat, ist der Absatz um 50 und der Gewinn um über 200 Prozent gestiegen. Der Audi-Chef, den man wegen seiner betriebswirtschaftlichen Ausbildung im ingenieurgetriebenen VW-Konzern gern unterschätzt, wird mit dieser Bilanz endgültig Kronprinz im Reich des Ferdinand Piëch.
Flop: Seat-Chef James Muir wird im nächsten Jahr seine Ziele verfehlen. Optimistisch hatte Muir 2011 angekündigt, das seit Jahren kriselnde Unternehmen mit einer Produktoffensive 2013 zurück in die scharzen Zahlen zu führen. Das Werk Martorell mit einer Jahreskapazität von 500.000 Einheiten sollte an seine Grenzen stoßen. Davon ist die spanische VW-Tochter meilenweit entfernt. In den ersten zehn Monaten lag sie beim Absatz mit 265.200 Einheiten 9,8 Prozent unter dem verlustreichen Vorjahr. Auch 2013 wird dem Autobauer die schwierige wirtschaftliche Lage in Südeuropa zu schaffen machen und der Einstieg in China wird sich noch nicht auszahlen. Zwar bringt Muir im kommenden Jahr zuerst den Toledo, später den Hoffnungsträger Leon auf den Markt. Aber deren Absatz wird nicht reichen, um VW-Chef Martin Winterkorn mit einem positiven Ergebnis bei Laune zu halten.Top: Die vierte Generation des Renault Clio – seit November im Handel – ist für die Franzosen in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein: Für den kecken Kleinen setzte Designchef Laurens van den Acker erstmals die neue Designlinie der Marke um. Im Clio kommt auch der neue Dreizylinder-Turbobenziner TCe 90 zum Einsatz, der sich mit 4,3 Liter auf 100 Kilometer begnügt. Zudem haben es die Entwickler geschafft, das Gewicht um bis zu 100 Kilogramm auf knapp über eine Tonne zu drücken – ohne auf Sicherheit zu verzichten, denn der kleine Renault kommt im neuen NCAPCrashtest auf fünf Sterne. Zudem lässt er sich zeitgemäß individualisieren und mit dem aktuellen und obendrein günstigen Multimediasystem R-Link ausstatten. Trotz starker Konkurrenz im umkämpften Segment schaffte es der Clio, in Deutschland das begehrte "Goldene Lenkrad“ in der Kategorie Kleinwagen einzuheimsen.
Flop: Im Herbst bringt BMW für rund 40.000 Euro sein erstes Elektroauto. Dass sich der BMW i3 aufgrund der hohen Investitionen auch auf Jahre hinweg nicht rechnen wird, ist den Bayern bewusst. Doch noch hoffen sie, dass der weltweite Verkauf gut anläuft. Erfahrungswerte sprechen aber dagegen: Der Elektrohype ist längst abgeebbt, E-Vorreiter wie Opel Ampera, Nissan Leaf oder Renault Twizy machten eher mit Produktionsunterbrechungen und Rückrufen als mit guten Absatzzahlen von sich reden. Die eingeschränkte Reichweite empfinden Kunden als Nachteil – daher bietet BMW den i3 optional mit Range Extender an. Optisch überzeugt das teure Carbonmobil nicht – das Design gilt als sehr gewöhnungsbedürftig. Ganz im Gegensatz zum i8: Den schicken Hybrid-Sportwagen führt BMW im Jahr 2014 ein.Top: Die Online-Neuwagenvermittler MeinAuto.de und Autohaus24 haben 2012 reichlich Kritik zu hören bekommen. Diese Kritik zeigt, dass die Portale schon heute in der Wahrnehmung deutlich stärker sind, als es ihr Marktanteil von rund zwei Prozent erwarten ließe. Denn mit ihren hohen Rabatten prägen sie die Erwartungshaltung der Kunden. Gerade in der jüngeren, internetaffineren Bevölkerung haben sie Potenzial, ihr Marktvolumen auszubauen. Dass die vom ZDK angeregten markenspezifischen Neuwagenportale hier etwas ändern können, scheint eher unwahrscheinlich. Bei den Gebrauchtwagen haben sich auch die markenunabhängigen Portale durchgesetzt. Und Händler, die in den Portalen Autos anbieten, wird es immer geben. Gerade wenn der Markt, wie erwartet, rauer wird, steigt die Verlockung, diesen zusätzlichen Absatzkanal zu nutzen, um Mengendruck abzubauen.
Flop: Im vergangenen Jahr haben wir an dieser Stelle die Servicebörsen sowohl als Aufsteiger als auch als Absteiger gesehen. Auch 2013 wird es hier Licht und Schatten geben. Zwei Wettbewerber bearbeiten den Markt – AutoScout24 mit bundesweit 1500 Partnern und das lokal agierende Portal Fairgarage mit erst 200 Werkstätten im Raum München. Der bundesweite Rollout, ursprünglich geplant für Herbst 2012, lässt auf sich warten. Ein neuer Termin wird nicht genannt, auch keine Zahlen zu vermittelten Aufträgen oder das Budget für die bundesweite Expansion. Bestimmte „Hausaufgaben“ müsse man erst noch erledigen, räumt Fairgarage-Chef Christian Hille ein, selbst ein ehemaliger AutoScout- Mann. Dazu gehört beispielsweise die von großen Händlern geforderte Anbindung von Dealer-Management-Systemen, die im Frühjahr starten soll.