Wolfsburg/Turin. Deftige Sprüche in Richtung Konkurrenz sind ein Markenzeichen von Sergio Marchionne. Mit seiner «Blutbad»- Attacke hat der streitlustige Fiat-Boss aus Sicht des Platzhirschs Volkswagen jetzt aber klar überreizt: Er solle als Chef von Europas Autoverband Acea seinen Hut nehmen. Die sich zuspitzende Absatzkrise sorgt bei den zentralen Akteuren zusehends für Nervenflattern.
Marchionne tritt gern forsch auf, ist sich für Sticheleien mit Rivalen nicht zu schade. Im aktuellen Rabattkampf drücke VW als drittgrößter Autobauer der Welt rücksichtslos die Preise, wurde er in der «New York Times» zitiert. Damit trieb es der 60-Jährige nun womöglich zu weit. Denn die Retourkutsche der Deutschen geriet zur unverhohlenen Drohung: Wenn Marchionne wegen seiner Verbalattacke nicht den Vorsitz des Acea abgebe, erwäge VW selbst den Austritt.
Am Freitag gingen die Turiner auf Tauchstation - eine direkte Reaktion auf die Wolfsburger Schelte war nicht zu hören. VW-Kommunikationschef Stephan Grühsem hatte Marchionne als untragbar an der Acea-Spitze bezeichnet. Selten reagiert der Konzern so dünnhäutig, der Angriff des italienischen Rivalen traf mitten in der Absatzkrise in den Schuldenstaaten aber offenbar einen Nerv. Hinter den Kulissen gilt der Einfluss einzelner Autobauer als beträchtlich: 2007 soll der Präsident des deutschen Verbands der Automobilindustrie, Bernd Gottschalk, auf Betreiben der Hersteller vom Hof gejagt worden sein.
Eine Dumpingpreis-Strategie will sich VW nicht anhängen lassen. Der Konzern, der trotz der Europa-Probleme starke Halbjahreszahlen für Asien und Amerika vorgelegt hatte, rümpft auch die Nase, weil er sich von Verbandschef Marchionne nicht strikte Unparteilichkeit, aber doch Diplomatie in Wettbewerbsfragen zu Krisenzeiten erwartet. Zudem mischt Fiat bei europaweiten Preisnachlässen selbst kräftig mit.