MÜNCHEN. Das einstige Motorenbauer- Motto „Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Hubraum“ verliert in Zeiten von Klimadiskussion und strengen CO2-Vorgaben zunehmend an Bedeutung. Immer häufiger tendieren die Autohersteller zu kleineren Hubräumen, um den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Als erster Konzern setzte diese Downsizing-Strategie Volkswagen in die Großserie um. Im Jahr 2006 stellten die Wolfsburger erstmals in einem VW Golf GT einen 1,4 Liter großen Vierzylinder-Benzindirekteinspritzer vor. Diesem TSI-Aggregat (TSI: „Turbo Stratified Injection“) fiel die Aufgabe zu, bestehende 1,8- und Zweilitermotoren zu ersetzen. Da weniger Hubraum bei gleicher Auslegung auch zwangsweise weniger Leistung und – viel entscheidender – weniger Drehmoment bedeutet, kompensierten die Wolfsburger Motorenentwickler dies durch den Einsatz zweier Lader, einem Turbo und einem Kompressor.
Die Methode war teuer, aber wirkungsvoll: Der 1.4 TSI leistete 170 PS, und bei ersten Tests verblüffte der Golf GT auch durch herausragende Fahrleistungen. „Was der Fahrer spürt, ist nicht der Hubraum, sondern vielmehr das maximal zur Verfügung stehende Drehmoment. Das führt zu einer verbrauchssenkenden Fahrweise“,sagt der damalige Leiter Aggregate-Entwicklung bei VW,Rudolf Krebs.Einwände, der reduzierte Hubraum und das höhere Drehzahlniveau würden Laufleistungen und Dauerhaltbarkeit beeinträchtigen, wiegelt Krebs ab: „Unsere Motoren sind auf mindestens 300.000 Kilometer ausgelegt.“ Der doppelten Aufladung folgten bei VW schnell Versionen nur mit Turbolader. Und VW ging beim Downsizing sogar noch eine Stufe tiefer: Kleinster TSI im Golf ist derzeit ein 1,2-Liter- Vierzylinder mit 105 PS, dessen Normverbrauch bei 5,2 Litern liegt. Mittlerweile haben andere Autohersteller nachgezogen. Das Downsizing zieht sich praktisch durch alle Brennräume und alle Fahrzeugklassen. Selbst das Premiumsegment mit großvolumigen Sechs- und Achtzylindern ist davon nicht ausgenommen.Mercedes- Benz verkleinerte in der S-Klasse den 5,5-Liter-V8 auf 4,7 Liter Hubraum,bei mehr Leistung und weniger Verbrauch. BMW tauschte bei Dieseln und Benzinern V8-Aggregate gegen Sechszylinder- Twinturbos aus, und eine Klasse darunter Dreiliter- Sechszylinder-Sauger gegen aufgeladene Zweiliter-Vierzylinder. Kritiker argwöhnen, dass die Bayern damit Gefahr laufen, in der Mittelklasse ihr jahrzehntelanges Alleinstellungsmerkmal aufzugeben und den Nimbus der weißblauen Marke zu verlieren. Auf die Spitze treibt BMW das Downsizing nun mit einer neuen Motorenfamilie von 1,5-Liter-Dreizylindern. Die Turbo-Minis mit Leistungen bis zu 180 PS sollen sogar in der jüngst vorgestellten Dreier-Baureihe Einzug halten.Das Lustprinzip, aus dem Vollen zu schöpfen, schwindet langsam auch bei den Sportwagenherstellern. Deutlich wird dies bei der Mercedes-Tuningtochter AMG in Affalterbach. Schlug einst unter den Hauben potenter E-, CLS-, S- und CL-Klasse-Modellen ein großes Saugerherz mit 6,3 Liter Hubraum, so sorgt jetzt ein 5,5-Liter-V8-Biturbo für mehr Leistung, mehr Drehmoment, aber bis zu 22 Prozent weniger Kraftstoffverbrauch. In der EKlasse soll sich das bis zu 557 PS starke Hightech-Aggregat, intern M157 genannt, mit 9,8 Litern auf 100 Kilometer begnügen. Downsizing hilft den Autobauern jedoch nicht nur dabei, Verbrauch und CO2-Ausstoß zu senken. „Kleinere Motoren führen auch zu positiven Sekundäreffekten“, sagt Heinz Hollerweger, bei Audi verantwortlich für die Entwicklung Gesamtfahrzeug. Der gewonnene Platz im Motorraum und das geringere Gewicht des Motors verbessern das Crashverhalten. Weniger Gewicht auf der Vorderachse wirkt sich zudem positiv auf das Fahrverhalten aus. Achsen und Bremsen können kleiner dimensioniert und damit leichter werden. Weniger Verbrauch bedeutet letztlich auch einen kleineren Tank, was wiederum das Gewicht reduziert. Hollerweger: „Downsizing ist ein wichtiges Element, die Gewichtsspirale umzudrehen und leichtere und damit sparsamere Autos zu bauen.“Hubraum ist doch zu ersetzen
Hubraum ist doch zu ersetzen