Sao Paulo (Brasilien). Wenn Brasiliens Fußball-Star Neymar über eine Automesse schlendert, muss etwas dran sein am Jubel der Manager über die Schubkraft Südamerikas. Gewiss war der Auftritt des Ballzauberers zur Sao Paulo Motor Show am Montag auch ein wohl kalkulierter PR-Gag. Dass Neymar bei Europas Branchenprimus VW zur Vorstellung der neuesten Version des Verkaufsschlagers Gol vorbei schaute, zeugt jedoch von der immer größeren Bedeutung des Marktes.
Brasilien gilt vielen Autobauern nicht nur als Ausweichspur im Kampf gegen die europäische Absatzkrise. Das Schwellenland wird nach Auffassung der Unternehmensberatung Roland Berger zunehmend zum «Aufmarschgelände globaler Feldzüge» beim Versuch von Anbietern aus aller Welt, Marktanteile zu erobern. Volumen-, doch immer öfter auch Oberklasse-Hersteller setzen auf das fünftgrößte Land der Erde. Und nicht zuletzt steht Brasilien mit der Fußball-WM 2014 und Olympia 2016 im Fokus der Sportwelt. Wer wollte daraus nicht Profit ziehen?Für VW-Chef Martin Winterkorn sind die Chancen klar. «Wir erwarten uns einen Riesen-Push», sagt der Konzernlenker - und will massiv in das Sponsoring von Profi- und Amateursportlern investieren. «Gehen Sie mal durch die Parkhäuser von Fußballstadien. Da werden Sie feststellen, dass der Anteil unserer Konzernmarken größer ist.»Der erhoffte Nachfrage-Boom ist allerdings nicht allein eine Frage geschickter Werbeoffensiven. Das Brasilien-Geschäft ist für VW seit jeher ein Heimspiel, die Wolfsburger sind seit den 50er Jahren hier am Start. Nun wollen sie ihre Plattform- und Baukasten-Strategien auch in Südamerika ausrollen, neue Modelle anbieten und sich so unabhängiger von konjunkturellen Turbulenzen in einzelnen Teilmärkten machen. Bisher gelingt dies gut: Die einbrechenden westeuropäischen Verkäufe lassen sich mit Asien, Nord- und Südamerika im Lot halten.Autobranche hofft auf Brasiliens neue Mittelschicht
Doch die Rivalen wollen dem Platzhirsch aus Wolfsburg auf den Pelz rücken. Fiat und General Motors sind in Brasilien schon lange stark vertreten, die in der Heimat heftig gebeutelten Franzosen rüsten auf. Eine inländische Pkw-Produktion, die hohe Importsteuern vermeiden hilft, soll beim Konkurrenten BMW nach langem Zögern spruchreif sein.
Winterkorn setzt im Südwesten vorerst aufs Massengeschäft. «Zunächst wollen wir die Marke VW weiter zum Strahlen bringen.» Aber mittelfristig habe man das Oberklasse-Segment in Brasilien genauso im Auge. «Nicht umsonst entscheidet sich BMW, hier reinzugehen.»Ein Jahrzehnt nach der Nachfragedelle der Jahre 2001 bis 2006 nimmt die Autobranche vor allem Bezieher mittlerer Einkommen ins Visier. «Man kann das Wachstum einer Mittelschicht erkennen», sagt VW-Brasilien-Chef, Thomas Schmall. Ex-Zentralbankchef Henrique Meirelles betont, die Ungleichheit der Wohlstandsverteilung in seinem Land habe in den vergangenen Jahren immer weiter abgenommen.Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) glaubt, dass Brasilien das Zeug hat, schon 2015 nach China und den USA zum drittwichtigsten Markt der Welt zu werden und die stolzen Japaner vom Treppchen zu stoßen. VW schätzt das Potenzial in ganz Südamerika bis 2018 auf acht Millionen verkaufte Pkw und leichte Nutzfahrzeuge pro Jahr. Die Sport-Highlights sollen laut Zulieferer-Verbandschef Paulo Butori dabei auch die Nachfrage nach Baumaschinen und Lkw ankurbeln.Von alldem dürften deutsche Luxuswagen wie Mercedes-Benz S-Klasse, Audi A8 oder BMW Siebener auf breiter Front noch nicht so viel abbekommen. Aber sie laufen sich immerhin schon warm und hinterließen in Sao Paulo ihre Visitenkarten. Ob Daimlers Extremsport-Ableger AMG und der Edel-Geländewagen GLK, ob neue PS-Boliden von Porsche und Lamborghini - auch reiche Brasilianer sollen geködert werden. Vergessen dürfe man im aufstrebenden Lateinamerika aber eines nicht, mahnte Winterkorn: «Das schwierigste Geschäft eines Herstellers von noblen Autos ist es, die Mannschaft darauf zu trimmen, ein günstiges Auto zu bauen.» (dpa/swi)