Wer sich in diesen Januar-Tagen durch die Cobo-Hall in Detroit treiben lässt, staunt an vielen Ecken: Vor drei Jahren, im bitteren Krisenjahr 2009, war die Detroit Motor Show eine Geisterveranstaltung mit verschreckten Automobilmanagern, denen die Panik ins Gesicht geschrieben stand. Heute strahlen die "Detroit Three" wieder allergrößten amerikanischen Optimismus aus. Sie haben eine Rosskur hinter sich. Und das Erstaunliche daran ist: Sie haben nicht nur die Kapazitäten reduziert, sondern auch viel von ihren europäischen Rivalen und Töchtern gelernt.
Wie tief der Wandel in der US-Autobranche geht, macht vielleicht am besten der Auftritt von Ford-Chairman Bill Ford bei der Detroiter Automesse deutlich. Während dort im Jahr 2007 noch unter Donnerhall eine Herde Buffalos durch die Straßen getrieben wurde, um für den neuesten Riesen-Pickup aus dem Hause Dodge zu werben, trat Bill Ford in diesem Jahr allein in eine von floralen Mustern durchgebeamte Arena, um das neue Credo von Ford zu verkünden: "Wir machen das Automobil zu einem Teil eines umweltfreundlichen Transportsystems."
Solche Sätze sind in Europa zwar nicht unbekannt, vor allem wenn sie aus dem Munde von Marketingstrategen mit allergrünster Öko-Botschaft kommen, aber ein solcher Satz im Herzen der US-Autobranche ist ein bemerkenswertes Statement. Selbst das Wort "Mobilitätsdienstleistung" rutscht so manchem US-Automanager inzwischen flüssig aus dem Mund.
Das Auto wird auch in Nordamerika zu einem stärker auf seinen Kosten-Nutzen-Wert reduzierten Werkzeug. Auch in den besseren Vierteln der Städte zählt ein gutes Umweltimage inzwischen mehr als zwei Zylinder mehr oder weniger unter der Motorhaube
Vor zwei Jahren hatten die "Detroit Three" noch fürchterliche Bedenken, dass der Ersatz ihrer klassischen Achtzylinder-Motoren durch moderne Sechszylinder die Kunden vor den Kopf stoßen könnte. Pustekuchen: "Wir kommen mit der Produktion unserer Sechszylinder-Light Trucks nicht hinterher", sagt Barb Samarzdich, Produktentwicklungschefin von Ford in Europa. Beim neuen Fusion, dem Mondeo für Nordamerika, verzichtet Ford gleich ganz auf Sechszylinder.
Alle US-Autobauer haben die Konzepte der Europäer aufgegriffen und neue Autos entwickelt. Sie werden allesamt kompakter, effizienter und nicht zuletzt auch sichtbar hochwertiger: Die bislang eher lieblosen Innenräume der US-Kompakt- und Mittelklasseautos weichen schick anmutenden Cockpits und haptisch angenehmen Materialien.
Die große Frage ist, ob die US-Autobauer angesichts all dieser Wertsteigerungen ihrer Fahrzeuge auch deren überaus günstige Preise halten können. Derzeit hoffen sie noch darauf, durch konsequente Plattform-Strategien bei Produktion und Einkauf genügend Synergien heben zu können, um die preisverwöhnten Kunden weiter mit kostengünstigen Fahrzeugen zu versorgen. Das kann bis zu einem gewissen Grad funktionieren, doch irgendwann werden die Controller in den Entwicklungsabteilungen fordern, die Preise zu erhöhen oder bestimmte Ausstattungsmerkmale nur noch optional gegen Aufpreis anzubieten.