Paris. "Wir haben die Weichen gestellt und sind auf einem guten Weg.“ So umschreibt Vorstandschef Philippe Varin im Gespräch mit der Automobilwoche den aktuellen Status des PSA-Konzerns. Nachdem Peugeot und Citroen infolge einbrechender Absatzzahlen im letzten Jahr drei Milliarden Euro verbrannt haben, will Varin die Verluste 2013 halbieren und setzt dabei auf einen dramatischen Restrukturierungsplan.
"Erste Priorität hat die Anpassung unseres industriellen Fußabdrucks in Europa“, sagt Varin und meint damit 11.000 überzähligen Mitarbeiter in den Werken Rennes und Aulnay, die das Unternehmen verlassen müssen. "Das ist für alle ein schmerzhafter Prozess, der aber gut voran kommt“, so Varin: Fünf Gewerkschaften hätten schon zugestimmt, die sechste will er noch im April ins Boot holen und ab Mai soll der Stellenabbau beginnen. "Aber es wird keine Entlassungen geben“, verspricht der PSA-Chef. Stattdessen hofft er auf Abfindungen und Altersabgänge und will allen weiteren betroffenen Mitarbeitern neue Jobs im Konzern oder bei anderen Firmen in der Region anbieten.Als zweite Baustelle nennt Varin das Marken- und Modellportfolio: "Wir brauchen keine zwei Generalisten und werden die Marken deshalb künftig stärker differenzieren.“ Peugeot werde mit Modellen wie dem 208 GTi, der aufwändigen Designlinie XY oder dem RCZ konsequent weiter nach oben positioniert, die DS-Linie von Citroen wird innerhalb des Konzerns zur Premium-Marke und die C-Linie von Citroen soll Kunden ansprechen, die aufs Geld schauen und mehr Sinn für innere Werte als starke Motoren haben.Wie diese Differenzierung aussehen soll, werde man an den nächsten Neuheiten schon erkennen können: Der C4 Picasso, der im Sommer kommt, werde innen ein völlig neues, cleanes Ambiente mit vielen Hightech-Extras haben. Mit der Studie für den ersten und dabei ungewöhnlich großen Geländewagen werde die DS-Linie auf der Messe in Schanghai den weiteren Aufstieg proben. Und mitten in der Höhle des Löwen zeige Peugeot auf der IAA in Frankfurt den Nachfolger des 308, der den deutschen Platzhirschen in der Golfklasse vor allem mit einem ungewöhnlichen und innovativen Interieur den Rang ablaufen solle. Was darüber hinaus noch in der Pipeline ist? Der Stadt-Geländewagen 2008 im Sommer, der Nachfolger des C4 im nächsten Jahr, eine größere DS-Limousine und der nächste C3. "Mit der Spreizung der Marken und den neuen Modellen werden wir künftig eine deutliche größere Marktabdeckung haben als heute und neue Kundenschichten erreichen", ist Varin sicher. Im Gegenzug könnte er aber bedeutende Segmente aufgeben. Denn ob es für so wichtige Modelle wie das 207 Cabrio einen Nachfolger geben wird, ließ Varin offen: "Das haben wir noch nicht entschieden.“"Wir haben die Weichen gestellt und sind auf einem guten Weg“
Gegenüber dem Kunden sollen die Autos sich mehr unterscheiden denn je. Aber unter dem Blech plant Varin eine beispiellose Gleichmacherei: "Wir werden künftig unser gesamtes Volumen über nur noch zwei Plattformen abwickeln.“ Die Modelle für das C- und D-Segment stehen auf der flexiblen Bodengruppe EMP2, die mit dem neuen C4 Picasso debütiert, und alle kleineren Fahrzeuge nutzen die Architektur EMP1, die gerade gemeinsam mit Kooperationspartner GM entwickelt wird.
Neue Modelle werden kommen, aber eine neue Marke werde es nicht geben, sagte Varin: "Eine Billigmarke im Stil von Dacia ergibt für uns keinen Sinn“, ist der PSA-Chef überzeugt. Für die Emerging Markets hat der Konzern mit dem Peugeot 301 und dem Citroen C-Elysee zwei Preisbrecher im Angebot, und in Europa soll Citroen mit seiner C-Linie zur Marke für Einsteiger werden. Auch nach oben hält Varin den Weg des PSA-Konzerns allerdings für limitiert. Einer Oberklasselimousine von Peugeot oder Citroen jedenfalls erteilt er eine Absage, einzig ein größeres DS-Modell hält er für denkbar.Ebenfalls kein Thema ist für den PSA-Chef zurzeit der US-Markt, Dabei ist der dritte Baustein seines Restrukturierungsplans die Globalisierung des Unternehmens. "Aber wir haben überall sonst auf der Welt noch so viele Hausaufgaben zu machen, dass wir uns dort erst einmal zurück halten werden“, sagt Varin. Mit Hausaufgaben meint er vor allem die Märkte in Südamerika und Russland. In Regionen, die sich für die Konkurrenz längst als Goldgruben erweisen, macht Citroen und Peugeot noch keinen Gewinn, klagt der PSA-Chef und will das schnellstmöglich ändern. Als Vorbild dient ihm China: "Dort verdienen wir mittlerweile richtig Geld.“ Mit dem Blick auf andere Regionen will sich PSA auch vom flauen Geschäft in Europa unabhängiger machen: "Im letzten Jahr haben wir nur 38 Prozent unseres Absatzes außerhalb Europas gemacht, bis 2015 sollen es über 50 Prozent sein.“Mit der Restrukturierung sortiert PSA auch die Kooperationspartner neu: "Man kann nicht beliebig viele ‚beste Freunde' haben“, sagt Varin mit Blick auf die vielen Allianzen der Franzosen. "Für uns ist deshalb General Motors die erste Wahl.“ Der gemeinsame Einkauf habe bereits begonnen und werde PSA in diesem Jahr eine Milliarde Euro sparen. Und über die drei bislang kommunizierten Projekte – die Nachfolger von Zafira und Peugeot 3008 auf der PSA-Plattform EMP2, die nächste Generation von C3 Picasso und Meriva auf der Kleinwagenplattform und das Update dieser Plattform für 2020 - hinaus suche man schon nach weiteren Kooperationsfeldern. Dazu gehören die Arbeit am kleinen Dreizylinder genauso wie erste Projekte außerhalb Europas etwa in Russland oder Südamerika.Alle anderen Allianzen will Varin auf den Prüfstand stellen und nur dann fortführen, wenn GM keine Alternative ist: Die Motorenkooperation mit BMW beim 1,6-Liter-Benziner, die Zusammenarbeit mit Ford beim Diesel und das Joint-Venture mit Toyota für den Kleinwagen Aygo/C1/108 sind deshalb gesetzt. Aber die Zusammenarbeit bei Nutzfahrzeugen mit Fiat läuft aus und die Verlängerung der Zusammenarbeit mit Mitsubishi bei Geländewagen und Elektrofahrzeugen über 2016 hinaus ist mehr als fraglich.
Obwohl der Markt in Europa weiter einbricht, ist Varin überzeugt, dass PSA mit dem aktuellen Sanierungsplan die Verluste wie versprochen in diesem Jahr halbieren kann. "Was uns an Volumen fehlt, das kompensieren wir über die Einsparungen bei den Kosten, die besser als angenommen vorankommen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Trotzdem glaubt er noch nicht an das Ende der Einschnitte: "Wenn wir langfristig wettbewerbsfähig werden wollen, müssen wir uns womöglich noch stärker anstrengen.“Aber der PSA-Chef baut nicht allein auf die Selbstheilungskraft und die Unterstützung der Gewerkschaften sowie der französischen Regierung. Sondern Varin fordert im Namen aller Autohersteller auch mehr Rückendeckung der EU-Kommission. Dabei geht es ihm um Wirtschaftspolitik wie beim Freihandelsabkommen mit Korea, weil allein der Zuwachs der Fernost-Importe so groß sei, dass wieder eine europäische Autofabrik überflüssig werde. Und es geht ihm um die Umweltpolitik und die CO2-Grenzwerte. "Gerade in einer so prekären Situation wären die Behörden gut beraten, wenn sie mit Augenmaß vorgehen und vor allem im Gleichschritt mit den USA und China marschieren würden“, sagt der PSA-Chef. "Sonst opfern sie eine wichtige Schlüsselindustrie, nur um ihre dogmatischen Ziele durchzusetzen.“