Peking. Jahrzehntelang war Audi als Premium-Marke im Reich der Mitte praktisch ohne Konkurrenz. Schon 1988 begannen die Ingolstädter in Changchun mit der Lizenzfertigung des Audi 100. Seit Markteintritt fährt Audi im Premium- Segment auf der Pole Position – weit vor BMW und Mercedes. 2011 und 2012 war die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt auch Audis größter Einzelmarkt. Vorstandschef Rupert Stadler hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 den chinesischen Absatz von derzeit 400.000 auf rund 700.000 Einheiten zu steigern. Möglich machen sollen dies folgende Schritte: Erstens: Eintritt in das kompakte Premiumsegment. „Wir sehen hier überdurchschnittliches Wachstum“, so Stadler auf der Jubiläumsfeier „25 Jahre Audi in China“ im jüngst fertiggestellten Werk Foshan. Die Fabrik, hochmodern und ökologisch ausgezeichnet, ist auf eine Kapazität von jährlich mehr als 150.000 Autos ausgelegt. Vom Band rollen sollen ab Anfang 2014 die A3 Limousine sowie der fünftürige A3 Sportback. Letzterer allerdings muss erst zeigen, ob er bei den Kunden ankommt. Chinesen bevorzugen Stufenheck-Limousinen. Ähnlich gewagt ist der Schritt, den Sportback auch als Plug-in-Hybrid (e-tron) in Foshan zu bauen. Zweitens: Ausbau des Händlernetzes. Jede Woche öffnet derzeit ein neuer Audi-Betrieb seine Verkaufsräume. Bis 2020 sollen es 700 sein, heute sind es 309, verteilt auf 143 Städte. Die Eroberung gilt vor allem dem automobil unterversorgten Westen Chinas.
Audi sieht in China Ende der Boomphase
Drittens: Optimale Anpassung an die Bedürfnisse des Marktes. Hierzu hat Audi in Peking dieses Jahr sein erstes Forschungs- und Entwicklungszentrum außerhalb Europas eingeweiht. 300 Mitarbeiter, davon ein Drittel Nicht- Chinesen, sogenannte „Expats“, beschäftigen sich mit den Themen Design, Farben und Materialien, Fahrwerksabstimmung und – ganz besonders – mit dem Infotainment. Drei Jahre entwickelten die Spezialisten das Touchpad des Navigationssystems dahingehend, dass es 43.000 handgeschriebene asiatische Schriftzeichen erkennt. Derzeit bietet diesen Service kein anderer Autohersteller. Ebenso die Höhensensorik der Navigation. Nötig macht dies Chinas Verkehrsnetz. Besonders in den Großstädten verlaufen Straßen und Autobahnkreuze oft über mehrere Etagen. Das Navi erkennt, auf welchem Niveau sich der Fahrer gerade befindet. Bedenken, dass Know-how abwandert, hat Audi nicht. „Wir setzen auf Loyalität und emotionale Bindung“, sagt Lorenz Führlinger, Leiter R&D Center Asia, „unsere chinesischen Ingenieure sind hoch motiviert und stolz darauf, für Audi zu arbeiten.“ Viertens: Junge Käufer für die Marke gewinnen. Nach London 2012 haben die Ingolstädter seit diesem Februar auch in Peking eine sogenannte „Audi City“ eröffnet, ein Showroom in bester Lage in der Beijing Oriental Plaza. Zwar stehen in Audi City noch einige Exponate in Blech, Lack und Leder, doch spielt sich das meiste digital ab. Der Kunde kann an Bildschirmen per Fingertipp sein Wunschauto konfigurieren und es in Originalgröße auf eine riesige Powerwall übertragen. Die Resonanz auf Audi City verblüffte selbst erfahrene Marketing-Kollegen. „Wir zählen täglich rund 1400 Besucher“, sagt Dominique Boesch, Geschäftsführer Audi Sales Division in China.
Fünftens: Motorsport. In China hat Audi erstmals einen eigenen Markenpokal auf die Räder gestellt, der helfen soll, Image und Absatz zu fördern. Gefahren wird auf den Modellen R8 LMS Cup. Zudem werden Fahrer- und Sicherheitstrainings angeboten auf den Rennstrecken in Shanghai, Zhuhai im Süden des Landes und Ordos in der Mongolei. Rupert Stadler ist zuversichtlich, in China schon dieses Jahr den Absatz auf über 450.000 Einheiten steigern zu können. Rückenwind geben dem Audi-Boss die guten Halbjahreszahlen. Von Januar bis Juni wurden 228.139 Autos an chinesische Kunden übergeben, ein Plus von 17,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.