München. Es war alles andere als ein Spaziergang für Daniela Bohlinger, Leiterin Nachhaltiges Design BMW Group. Ihr Ziel, den Innenraum des BMW i3 mit Materialien auszukleiden, die bislang im Automobilbau in dieser Form und in dieser Konsequenz keine Anwendung fanden, erforderte eine gesunde Portion Pioniergeist. „Das Vorhaben gelang mit viel Überzeugungsarbeit und weil Nachhaltigkeit zur Grund-DNA der Marke BMW i gehört“, sagt Bohlinger.
In dem Carbon-Elektroauto, seit Ende 2013 auf dem Markt, besteht der obere Armaturenbrettteil aus Kenaffasern, einem Hibiskus-Gewächs. Kenaf benötigt keine Polyurethan-Folie als Überzug, sondern kann pur bleiben. Die Holzelemente im i3 stammen von zertifizierten Eukalyptus-Bäumen. Das Leder wurde nicht, wie oft üblich, mit Chrom gegerbt, sondern mit einem Extrakt aus Olivenblättern. Und die Sitzbezüge enthalten ein Gemisch aus Wolle und wiederaufbereiteten Plastikflaschen (PET).Öko wird das neue Premium
So konsequent wie BMW gehen längst noch nicht alle Autohersteller vor. Zu viele Hürden stehen im Weg, zu viele Kriterien müssen die neuen Werkstoffe erfüllen, sollen sie Verwendung im Cockpit und im Innenraum finden. Dazu zählen unter anderem UV-Beständigkeit, mechanische Abnutzung, Hitze und Kälte, die Resistenz gegen Cola und Kaffee, gegen Speiseeis und Schokolade, die Pflegeverträglichkeit, der Geruch. „Zudem wollen Kunden einen immer frisch aussehenden Innenraum haben, ohne Abnutzungsspuren, ohne Verwitterung“, weiß Bohlinger. „Wir haben im i3 aber bewusst Naturmerkmale zugelassen.“ Und letztlich kann auch die Wirtschaftlichkeit des neuen Werkstoffs zum K.-o.-Faktor werden.
Hanf, Baumwolle, Schurwolle, Leinen, Kokosfasern, Flachs oder Zellulosefasern – bislang setzen die Hersteller Bio- und Recycling-Materialien, wenn überhaupt, nur als Dämm- oder Trägermaterial ein, und ausschließlich im nicht sichtbaren Bereich. Bei Audi wird es vorerst auch dabei bleiben. „Recyclate und nachwachsende Rohstoffe erfüllen, um im Cockpit eingesetzt zu werden, derzeit nicht unseren hohen Qualitätsanspruch“, so ein Sprecher des Unternehmens.
Etwas weiter wagt sich Mercedes vor. „Wir wollen den Einsatz nachwachsender Rohstoffe weiter verstärken und entwickeln Lösungen im Sichtbereich. Sie sollen für den Kunden erlebbar sein“, so Peter Schramm, Leiter Zertifizierung und regulatives Umfeld Umwelt Mercedes-Benz Cars.
In der neuen E-Klasse wird der Werkstoff Dinamica als Sitzbezug, Dachhimmel und Säulenverkleidung eingesetzt. Als Dinamica bezeichnet Mercedes eine Mikrofaser aus recyceltem Polyester und wasserbasiertem Polyurethan. Das in Dinamica enthaltene Polyester stammt aus Kleidungsresten und PET-Flaschen.
„Alles im Sichtbereich verlangt nach Ästhetik“, sagt Expertin Bohlinger und prophezeit den „Nawaros“ (nachwachsenden Rohstoffen) dennoch eine große Zukunft. Ziel ist es, Struktur, Optik und Oberfläche des neuen Materials so zu gestalten, dass der Kunde es gerne anschaut und berührt. Der Trend geht zum Monomaterial, weg von zusammengesetzten oder mit Folien überspannten Werkstoffen. „Wir müssen dem Material trauen, wie es aus dem Werkzeug kommt“, sagt Bohlinger. Sie ist sich sicher, dass bald auch der Autokäufer Ökomaterialien mit authentischen Oberflächen als cool und premium wahrnimmt.
An Ideen mangelt es nicht. Produktionsabfällen wie Webkanten und Textilresten könnten Polypropylen-Fasern untergemischt werden, um eine feste Struktur zu erreichen. Das Recycling von Ozean-Plastikmüll wird derzeit in den Labors von BMW untersucht. Globale Kreisläufe sollen so zukünftig -geschlossen werden. Und wer denkt beim Cockpit nicht gleich an Kaffee? BMW arbeitet daran, Kunststoff mit Kaffeesatz zu kombinieren. Bohlinger: „Kaffee bindet Gerüche.“