Wende im Verfahren um Schrempps Abgang?

Stuttgart. Im Gerichtsverfahren um den Abgang des ehemaligen Daimler-Vorstandschefs Jürgen Schrempp vor dem Oberlandesgericht Stuttgart könnte es zu einer Wende zugunsten der Kläger kommen. Das Gericht gab ihnen in einem wichtigen Punkt Recht. Aktionäre haben den Konzern verklagt, weil sie sich falsch informiert fühlen. Sie sind der Meinung, Daimler habe sie 2005 nicht rechtzeitig über das vorzeitige Ausscheiden von Schrempp informiert.

Der Richter sagte nun, bei einem Gespräch mit dem damaligen Aufsichtsratschef Hilmar Kopper habe Schrempp schon am 17. Mai 2005 erklärt, von seinem Posten zurücktreten zu wollen. Damit sei, so der Richter, nach vorläufiger Rechtsauffassung eine kursrelevante Insiderinformation entstanden. Offiziell hatte Daimler erst am 28. Juli 2005, also über zwei Monate später, über den Rücktritt von Schrempp informiert. Das Gericht hat sich der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes angeschlossen, dass das Unternehmen auch schon über die Möglichkeit von Schrempps Abschied hätte informieren müssen.

Schrempps Nachfolger wurde der heute noch amtierende Dieter Zetsche. Dieser war damals Chrysler-Chef und hatte sich durch die kurzfristige Sanierung des US-Konzerns einen Namen erworben. In den USA wurde er unter anderem durch die Werbekampagne "Ask Dr. Z." landesweit bekannt.

Als der Abschied von Schrempp bekannt wurde, ging der Kurs der Daimler-Aktie steil nach oben. Aktionäre, die das Papier kurz vorher verkauft hatten, sahen sich getäuscht und zogen vor Gericht. Der Richter will nun noch klären, ob Daimler den geplanten Abschied von Schrempp bis zum 28. Juli geheim gehalten hat. Sollte sich herausstellen, dass Daimler einen Fehler gemacht hat, muss zudem geklärt werden, ob das Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.

Schrempp war von 1995 bis 2005 Chef von Daimler. In seine Amtszeit fielen die Fusion mit Chrysler, die er als "Hochzeit im Himmel" bezeichnete, sowie die Beteiligung an Mitsubishi. Beides war für Daimler nicht erfolgreich und brachte ihm heftige Kritik seitens der Aktionäre ein.

Die Klage wird bereits zum dritten Mal vor dem Oberlandesgericht verhandelt. Sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof haben sich bereits damit befasst und ihn jeweils ans OLG zurückverwiesen. Es handelt sich um ein sogenanntes Musterverfahren, bei dem ein Fall stellvertretend für viele ähnliche Fälle verhandelt wird. Bis Mai besteht noch die Möglichkeit, das beide Seiten einen Vergleich schließen. Da es sich um ein Musterverfahren handelt, gilt dies aber als unwahrscheinlich. Wenn es keine Einigung gibt, fällt das Gericht am 21. September ein Urteil. (dpa/swi)