Herr Weller, war 2016 ein gutes Jahr für den Autohandel?
Ja. Die Neuwagenzahlen waren gut, die Gebrauchtwagenzahlen anstrengend aber auf einem guten Level. Und da wir immer weniger Händler werden, auf die sich das Geschäft verteilt, wird es für den Handel per se immer besser.
Und für die Wellergruppe?
Auch für uns war es gut. Wir haben im Neuwagenbereich ordentlich zugelegt. Trotzdem haben wir unser Ziel von 55.000 Autos nicht erreicht. Das lag daran, dass der Gebrauchtwagenbereich nicht gewachsen ist.
Warum?
Die Neuwagenangebote sind einfach so schlagend, dass es schwierig ist, einen Gebrauchtwagen zum selben Finanzierungspreis zu vermarkten. Die Erträge sind bei den Gebrauchten nach wie vor gut – aber die Stückzahl zu halten, ist sportlich und wird es auch bleiben.
Wären ältere Autos eine Wachstumschance?
Wir verkaufen nach Möglichkeit keine Autos unter 7000 Euro. Da ist uns die Gefahr der Reklamation zu groß, wir wollen ja unseren Ruf nicht schädigen. Aber im Bereich zwischen 8000 und 15.000 Euro gibt es sicher noch Luft nach oben. Seit zwei Jahren engagieren wir uns da immer intensiver. In den Häusern haben wir dezidierte Einkäufer, die durch das Netz gehen und von Privatverkäufern einzeln Gebrauchte ankaufen.
Woran verdient man am meisten – Neuwagen, junge Gebrauchte oder ältere?
Das ist ganz unterschiedlich. Wenn Sie einen richtig guten Einkauf machen kann man bei einem 10.000-Euro-Auto durchaus 1800 Euro Bruttoertrag haben. Mit einem jungen Gebrauchten für 30.000 macht man auch nicht mehr – aber das Risiko ist größer.
Wohin geht der Handel – Glaspalast oder Internet?
Es braucht beides. Auch Apple und Tesla haben Stores. Sogar Amazon baut jetzt Buchläden, und die Leute werden hingehen. Wovon ich aber überzeugt bin, ist, dass wir diese riesigen Paläste nicht mehr brauchen. Schauen Sie ins KDW hier in Berlin. Da hat Boss auch nicht alle Anzüge hängen, sondern eine Auswahl. Genauso wird es mit Autohäusern sein. Unser neues Audi-Haus in Bielefeld mit Platz für 60 Autos und unser neues Lexus-Haus in Osnabrück mit sechs Stellplätzen sind ein gutes Beispiel. Ich würde nie wieder für 60 Autos bauen.Warum?
Bielefeld ist ein wunderschönes Haus – aber es war irrsinnig teuer im Bau und ist es im Unterhalt. Auch der Kunde fühlt sich viel schneller verlassen und nicht bedient. Allein, weil er in 50 Metern Entfernung zum Verkäufer hereinkommt.Ist das den Vertriebschefs der Hersteller zu vermitteln?
Ich glaube, ja. Bei allen Herstellern kommen zurzeit Zweifel auf, ob Paläste noch angemessen sind. Deswegen ist man überall auf der Suche nach anderen Lösungen, wie man die Leute trotzdem in die Ausstellungsräume ziehen kann.Was ist Ihre Antwort?
Eine Antwort ist das Lexus-Haus. Es ist viel kleiner – aber es hat Ambiente. Das ist ein Wohnzimmer. Die Reparaturannahme ist am Kamin. Man sitzt in bequemen Sesseln, die Leute kommen gar nicht mehr zur Direktannahme mit unters Auto. Sie trinken zwei Espressi, im Sommer essen sie ein Eis und wollen nicht mal mehr einen Werkstatt-Ersatzwagen, weil es so gemütlich ist. Und man merkt: Die Aufträge sind qualitativ höher. Das ist die Zukunft: Dass wir etwas schaffen, wo man gerne hingeht.Wie präsentieren Sie die breite Produktpalette der Marken in den kleinen Häusern?
In beiden neuen Häusern haben wir Powerwalls. Das wird gut angenommen. Insbesondere wenn es um die Ausstattung geht. Felgen sind das beste Beispiel. In der großen Darstellung sieht man den Unterschied zwischen 20 und 21 Zoll sehr deutlich. Und dann geht es nicht mehr um die Frage, ob es 2800 oder 2900 Euro mehr kostet. Witzigerweise unabhängig davon, wie hart vorher verhandelt wurde, weil sich der Kunde bereits verliebt hat. Das haben die Spitzenverkäufer schon immer für sich genutzt. Und für die mittelmäßigen wird es mit der Videowall jetzt leichter.Was halten Sie von kleinen Läden in Einkaufszentren wie Rockar?
Wir überlegen, in der einen oder anderen Stadt in einen Innenstadt-Store zu gehen. Es muss eine 1-a-Lage sein. Immer das neuste Auto, das da nicht länger als 14 Tage stehen darf – und viel Ambiente. Einkaufszentren halte ich dagegen nicht für das richtige Umfeld. Ein Auto ist ja kein Mitnahmeartikel.Geht es da um den Verkauf oder nur um Marketing?
Ich habe noch kein Konzept gesehen, in dem wirklich verkauft wird. Sinn und Zweck davon ist, uns mit unseren Autohäusern in der Peripherie ins Gedächtnis zu bringen.Das könnte man doch den Herstellern überlassen.
Ich finde ohnehin, dass Hersteller und Handel viel enger zusammenarbeiten müssen.Inwiefern?
Einen wirklich freien Handel haben wir ja schon lange nicht mehr. Denn dann dürfte der Hersteller nicht vorschreiben, welche Fliesen der Handel haben muss. Der konsequente nächste Schritt wäre ein Franchisesystem, wo wir die Unmengen an Daten zusammenlegen, die wir bekommen. Mit der sinkenden Zahl an Händlern wird das machbar.Haben kleine Händler dann überhaupt noch eine Zukunft?
Es wird in Zukunft vielleicht noch 500 kleine Händler mit ein oder zwei Häusern geben. Die haben 75 Prozent Eigenkapital, die Bude ist bezahlt. Und dann wird es 500 große Gruppen geben. Und irgendwann vielleicht noch 100. Ich glaube, wir bekommen englische Verhältnisse. Und zwar schnell.Das bedeutet dann, dass die Großen viel kaufen müssen.
Ja, Emil Frey hat es im März mit 275 Standorten von der Porsche Holding Salzburg ja vorgemacht.Sie haben schon länger nichts mehr gekauft.
Ja, das stimmt. Aber warten Sie mal ab. Dieses Jahr tut sich etwas! Wir wollen in allen Bereichen wachsen.Wie viele Standorte werden es bis zum Jahresende sein?
Jetzt sind es 36, Ende Dezember dürften es sieben bis acht mehr sein. Und es geht nicht um kleine Häuser.Sie haben im vergangenen Jahr einen Leiter Digitalisierung berufen – braucht man den?
Wir auf jeden Fall. Eigentlich alle größeren Betriebe. Wir wollen einige neue Dinge im digitalen Vertrieb auflegen. Wer sich damit nicht befasst, wird irgendwann im Hintertreffen sein, weil einige damit bereits herumprobieren. Inzwischen haben wir schon den zweiten Mitarbeiter in dem Bereich. Beide kommen bewusst nicht aus dem Autohandel.Warum setzen Sie hier auf Leute von außen?
Wenn wir Insider das selbst machen, fallen wir immer wieder in alte Muster zurück. Die dürfen ausprobieren, haben keine Zeitvorgaben und erzählen uns alle 14 Tage, was sie machen. Unter anderem haben sie inzwischen alle Angebote unserer Brands untereinander vernetzt.Worauf setzen Sie beim Onlinehandel: die Seiten der Hersteller, Autobörsen oder Ihren eigenen Internetauftritt?
Ein eigenes Angebot ist absolut notwendig, um die Stammkundschaft, die wir haben, direkt zu bedienen. Auch die beiden großen Börsen sind unumgänglich. Die Seiten, die die Hersteller machen, bringen dagegen wenig. Da müsste sich der Verbraucher ja wieder auf etwas Neues einstellen. Und der Kunde hat kein Bedürfnis danach.Wie verteilt sich der Absatz zwischen eigenen Seiten und Börsen?
Wir machen etwa 40 Prozent über unsere Seiten – ein Anstieg um zehn Prozent, seit wir die Vernetzung haben, der weiter anhält.Sie haben neben sich und Jörg Hübener einen dritten Geschäftsführer installiert – der erste Schritt Ihres Rückzugs aus dem Operativen?
Werner Söcker ist schon seit 20 Jahren bei uns. Wir rekrutieren auch gerne aus den eigenen Reihen, um unseren Leuten zu zeigen, dass sie hier etwas werden können. Und ich ziehe mich Schritt für Schritt aus dem operativen Geschäft zurück. Ich bin jetzt 63 und habe durchaus die Ambition, das 40-jährige Firmenjubiläum mit 65 noch an vorderster Front mitzumachen. Aber mit 70 werde ich mich nicht ans Mikro schieben lassen. Schon heute bereise ich keine Autohäuser mehr, um zu fragen: „Warum steht der Mülleimer da?“Wo sehen Sie dann Ihre künftige Aufgabe?
Meine Arbeit ist mehr strategisch. Wie machen wir einen Innenstadt-Store, wie treiben wir die Digitalisierung voran und wie schulen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?Stimmt es, dass Sie jedes Jahr eine Woche länger segeln gehen?
Ja, dieses Jahr sind es acht (lacht).Wie wichtig ist die Mitarbeitergewinnung für Sie?
Wir wollen junge, gute Leute holen, die sonst nicht unbedingt für den Autohandel zu erwärmen sind. Die beiden maßgeblichen Hochschulen, Mannheim und Nürtingen, sitzen im Süden, wo Mercedes, BMW, Porsche und Audi die guten Leute schnell abschöpfen. Da muss man damit werben, dass die Karriere bei uns schneller geht und die Entscheidungswege kürzer sind. Unsere zweite Ebene ist beinahe komplett mit Leuten aus Nürtingen und Mannheim besetzt. Die kommen nach dem Studium hierher, sind teilweise sieben, zehn Jahre schon bei uns.Der Autoverkäufer hat nicht das beste Ansehen beim Kunden. Ist das Konzept überholt?
Es hat sich ja schon viel verändert. Als ich angefangen habe, galt noch das Konzept Charming Boy, 1,90 Meter groß und gutaussehend. Der konnte alles verkaufen. Aber schon damals fing es an, dass das Image litt. Dieser Typus ist aber schon seit 15 Jahren tot. Unser bester Verkäufer ist 1,60 Meter und hat eine Hasenscharte. Aber er ist fleißig, intelligent und ackert von morgens bis abends. Er bleibt dran am Kunden. Fleißig und fair – das ist der Verkäufer, der heute das Geschäft macht. Was dabei unglaublich wichtig wäre – und da komme ich wieder auf das Franchisesystem zurück –, ist, dass der Verkäufer aus der Preisverhandlung herauskommt.Warum?
Ich kann als Kunde nur gut Freund mit dem Verkäufer sein, wenn ich das Gefühl habe, der hat gemacht, was er konnte. Wenn ich einen Anzug im KDW sehe, muss ich nicht noch in ein anderes Geschäft gehen. Der kostet überall 499 Euro. Und ich kann an der Kasse nicht handeln. Das könnte man mit einem Franchisesystem auch erreichen. Bei Gebrauchtwagen machen wir inzwischen Entsprechendes.Festpreise?
Ja. Die werden morgens gemeinsam festgelegt, und der einzelne Verkäufer kann davon ohne die Zustimmung des Verkaufsleiters nicht abweichen. Und er bekommt eine deutlich höhere Provision, wenn er den Preis durchsetzt. Das kann 200 Euro pro Abschluss ausmachen. Anfangs hat das einen Aufschrei unter den Verkäufern gegeben, aber inzwischen sind alle damit glücklich und sie verdienen gut damit.Warum versuchen Sie das nicht auf Gruppenebene bei Neuwagen?
Ein Gebrauchtwagen ist in seiner speziellen Konfiguration in einem gewissen Umkreis einzigartig, ein Neuwagen nicht. Deswegen geht das beim Neuwagen nur zusammen mit dem Hersteller.Würde ein Hersteller, der das umsetzt, nicht Marktanteile verlieren?
Das wäre nur eine kurze Phase. Wie wenn man die Eigenzulassungen zurückfährt. Das dauert drei Monate, dann sind die Gurken verkauft und ich habe wieder mein Geschäft.Aber die Eigenzulassungen sind trotzdem bei über 30 Prozent.
Ja, aber viele fahren das zurück. Und man verkauft am Ende ja nicht wirklich weniger. Wenn der Preis angemessen ist, wird er bezahlt.Lesen Sie auch: