Kein Digital Leader in Sicht

Das Fazit ist ernüchternd: "Digital Leader, die alle ­Facetten eines digitalen Geschäfts- und Betriebsmodells umfassend abdecken, fehlen gänzlich." Zu diesem Ergebnis kommt die Unternehmensberatung ZEB im "zeb.digital pulse check". Befragt wurden dafür 50 Entscheider von Versicherungsunternehmen.

Demnach investieren hierzulande gut vier Fünftel der Versicherungen in den digitalen Wandel. Gleichzeitig haben es aber erst acht Prozent der Befragten geschafft, digital-disruptive Geschäftsansätze in ihr Unternehmen zu überführen.

Nur die Hälfte der Befragten verfügt über eine digitale Roadmap mit strategisch definierten Projektportfolios, und nur jeder Vierte hat für die digitale Transformation konkrete Leistungskennzahlen definiert.

Prozesse, Daten und IT der deutschen Versicherer sind noch nicht auf digitale Geschäftsmodelle ausgelegt. "Eine Echtzeitkonsolidierung von Daten bleibt Zukunftsszenario", urteilen die ZEB-Berater.

Zudem sei es in der Praxis nicht üblich, vom Kunden her zu denken: Zwar geben die meisten Versicherer an, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu kennen, doch nicht einmal die Hälfte der Befragten bezieht ihre Kunden in die Produktentwicklung ein.

Dabei sind die Verbraucher auch im Bereich der Versiche­rungen mehrheitlich offen für die Digitalisierung, haben die Gothaer Versicherungen herausgefunden. Sie befragten 2017 mehr als 1000 Verbraucher in Deutschland.

Demnach informiert sich knapp die Hälfte im Netz, jeder Dritte will seinen Vertrag online abschließen. Gleichzeitig legen die Deutschen Wert auf einen persönlichen Ansprechpartner – und sei es als Videochat mit einem Berater.

Die Höhe der Prämie ist für Ver­sicherungskunden wichtig – aber nicht ausschlaggebend. Fast alle Befragten wollen mit ihrer Versicherung über mehrere Kanäle kommunizieren, mehrheitlich sind sie auch offen für digitale Schadensabwicklung. Jeder Dritte würde Versicherungs-Apps nutzen.

Apps, mit denen Versicherte freiwillig zusätzliche Daten liefern, könnten die "Informations­asymmetrie" im Versicherungsgeschäft umkehren und die Basis für individuellere Tarife liefern, vermutet die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW).

Sie hat Ende 2017 untersucht, welche ­Geschäftsmodellansätze die Digitalisierung der Versicherungsbranche bringt. Denn die digitale Transformation werde nach dem Vertrieb "weitere Teile der Wertschöpfungskette der Versicherungswirtschaft grundlegend verändern" – etwa durch den Markteintritt branchenfremder Wett­bewerber.

Vor allem Internetfirmen, die meist als kapitalkräftige Datensammler auftreten, könnten hier als Disruptoren – ähnlich wie im Autovertrieb – die Kundenschnittstelle besetzen. Im ­Ex­tremfall würden die Versicherungen dann "zu Vorleistern der ­Internetunternehmen degradiert", so die VBW-Studie.

Auch Versicherungs-Start-ups ("InsurTechs") könnten sich neue Geschäftsmodelle jenseits der ­etablierten Anbieter erschließen. Und vermutlich wird die Digita­lisierung den Markt noch stärker segmentieren: in preiswett­bewerbsintensive Standardprodukte und qualitätswettbewerbs­intensive Premiumprodukte.

Lesen Sie auch:

Interview mit dem Allianz Automotive-Chef: "Die Produkthaftung wird künftig eine zentrale Rolle spielen"

Finanzierungsstrategie der Wellergruppe: "Wir vollziehen da gerade einen Philiosophiewechsel"

Im Datencenter:

Versicherungspartner der Autohersteller im Bereich Fahrzeuggarantie in Deutschland 2018

Neuverträge Versicherungen 2016