Kein anderes Land der Welt kann auf einen so langen und erfolgreichen Betrieb von Hochgeschwindigkeitszügen zurückblicken wie Japan. Die „Shinkansen“ sind nicht nur schnell, sondern herausragend pünktlich, zuverlässig und kaum störanfällig, nicht mal wenn die Erde bebt. Wenn ein Zugführer auf einer Teilstrecke eine Verspätung von mehr als 15 Sekunden einfährt, so hat er sich schriftlich zu verantworten!
Ein solcher Passus müsste hierzulande ohne Frage auch in die Verträge der Vorstände der Deutschen Bahn. Und von einer Kanzlerin hätte man in ihrer Neujahrsansprache schon eine ehrlich gemeinte Bitte um Entschuldigung zum völlig missglückten Start der Schnelltrasse Berlin–München erwarten dürfen. Im Besonderen, wenn man allein auf der Jungfernfahrt des Sprinters eine Verspätung hatte, die alle japanischen Schnellzüge zusammen in drei Jahren nicht einfahren. Wenn Angela Merkel bei der Eröffnungszeremonie in Berlin in ihrer Rede dieses Mobilitätskonzept als bahnbrechend bezeichnete, muss sie wohl eher die 26 Jahre gemeint haben, die seit der Beschlussfassung des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8 vergangen sind, als die geplante Fahrzeit von vier Stunden für 600 Kilometer von Berlin nach München.
Wie Sie vielleicht wissen, fährt seit dem vergangenen Jahr in Frankreich der TGV die nahezu gleich lange Strecke von Paris nach Bordeaux in zwei Stunden. Planungszeit vier Jahre, Bauzeit sechs Jahre. Berichtet wurde darüber in deutschen Medien nur am Rande. Denn sonst hätte beispielsweise das ZDF zur Eröffnung der Sprinter-Strecke nicht von einem Meilenstein im Zugverkehr schreiben können. Doch richtig peinlich war es schon vorher, als Verkehrsminister Alexander Dobrindt diese Bahnstrecke als einen Quantensprung im Hochgeschwindigkeitsverkehr bezeichnete. Finden Sie nicht auch, es läuft zu viel schief bei Großprojekten im Staate Deutschland? Gut möglich, dass dies bei der anstehenden Verkehrswende nicht anders sein wird. Zumindest darf man gespannt sein, wie groß die „bahnbrechenden Quantensprünge“ beim Aufbau des Ladenetzes für E-Fahrzeuge sein werden.
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