„Es ist ein ziemlich großes Rad, das wir da bei Volkswagen drehen. Wenn nicht sogar das größte, das wir je gedreht haben – bezogen auf die Elektronik.“ Rolf Zöller, der seit März 2017 Chef der Elektrik und Elektronik bei Volkswagen ist, soll mit seiner rund 2000 Mitarbeiter starken Truppe, die vor allem aus Software-Ingenieuren besteht, eine komplett neue Elektronikarchitektur für Volkswagen entwickeln. Zunächst für die Marke, dann für den Konzern.
Gestartet wird die neue Architektur in den I.D.-Modellen. „Die Elektronikarchitektur soll für alle Fahrzeuge gelten, von ganz klein bis ganz groß, von Basis bis Premium. Es wird eine neue Konzernarchitektur, die alle Konzernanforderungen einfangen und erfüllen muss“, so Zöller.Elektromobilität, Konnektivität, automatisiertes Fahren und Parken und viele Einzelaufgaben erfordern vielfältige elektronische Funktionen, die die klassische, extrem dezentrale Elektronikarchitektur nicht bieten kann. „Die jetzige Architektur mit 60 Steuergeräten beim Golf und rund 100 bei Premiumfahrzeugen ist technisch nahezu ausgereizt“, sagt Zöller. Kern einer neuen Architektur sollen höchstens drei zentrale Hochleistungsrechner mit höheren Bandbreiten, mehr Rechenpower und einer Verbindung zum Backend sein.
„Diese Technologie können wir nur anbieten, wenn wir völlig neue Wege gehen“, sagt Zöller. Dafür arbeitet er auch mit Firmen wie Nvidia, IBM, Google und Inrix zusammen, die entweder Hard- oder Software liefern oder Daten bereitstellen, die in die Architektur im Fahrzeug oder im Backend integriert werden.
Zöllers Architektur soll schnell und flexibel genug sein, damit darauf die Software von Assistenzsystemen oder Fahrzeugfunktionen laufen kann, die etwa auf Daten der Reifensensoren zurückgreifen, um sie mit Wetter- und Verkehrsdaten von Dienstleistern wie Inrix zu ergänzen. Daraus berechnet der Algorithmus einen Routenverlauf oder kann Alarm schlagen, wenn die Batterieladung nicht ausreicht, um bis ans Ziel zu fahren.
Zudem werden mit der neuen Architektur „Updates over the Air“ möglich werden (siehe Kasten). Um die Software der Fahrzeuge und neuen Dienste über den gesamten Lebenszyklus aktuell zu halten, müssen nur etwas mehr als 20 Prozent Speicherplatz freigehalten werden, glaubt Zöller. Denn Software, die durch ein Update erweitert wird, benötigt nicht viel mehr Speicher und Ressourcen als die Basissoftware. Wichtig ist dem Elektronikchef, dass Funktionen per Knopfdruck ausgetauscht werden können, wenn der Nutzer sie nicht will. Deshalb werden Kunden in den Update-Prozess eingebunden. „Die Kunden wissen nicht nur, was passiert, sondern entscheiden mit. Sie fordern Updates an, lehnen sie ab oder installieren sie später.“
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