Wie das Projekt Trinity VW und Wolfsburg verändern soll

Ralf Brandstätter wandelt auf den Spuren von Steve Jobs. Eigentlich hatte der VW- Markenchef zum Webcast geladen, um die neueste Personalie zu verkünden: E-Mobilitätsvorstand Thomas Ulbrich bleibt doch bei VW und steigt sogar zum Entwicklungsvorstand auf. Doch dann hat er noch einen Knüller parat. Wie einst Apple-Chef Jobs mit seinem legendären "One more thing" präsentiert Brandstätter das nächste Prestigeobjekt der Marke: das Projekt Trinity.

Nach dem Vorbild des Artemis-Vorhabens der Tochter Audi soll ein vollelektrisches Leuchtturmmodell entstehen, dieses Mal für die Kernmarke VW selbst. 2026 soll es in Serie gehen, und zwar im Stammwerk in Wolfsburg. Der Standort erhält damit nicht nur sein lang ersehntes erstes Elektrofahrzeug, sondern gleich das künftige Aushängeschild der Marke. "Das Auto steht für die nächste Generation der Elektromobilität", verspricht Brandstätter. "Der Trinity soll für die Marke Volkswagen Innovationsführer werden." Und er lässt keinen Zweifel daran, dass dies vor allem eine Kampfansage an Tesla ist.

Die Erwartungen sind also hoch: Bei Vernetzung und autonomem Fahren wird der Trinity laut Brandstätter Maßstäbe setzen. Das Fahrzeug soll bereits auf der nächsten Generation des Modularen E-Antriebs-Baukastens (MEB) entstehen, den VW bei seinen bisherigen ID-Modellen einsetzt. Und es soll der erste VW werden, der die Software der konzerneigenen Car-Software- Organisation nutzt, die gerade in Ingolstadt entsteht. Beim autonomen Fahren spricht Brandstätter noch zurückhaltend von Level 2+, Level 4 soll aber bereits vorgerüstet sein.

Das alles erinnert stark an das Artemis-Projekt von Audi. Mit dem Pendant in Ingolstadt soll Trinity in der Tat eng zusammenarbeiten und auch den Baukasten der Ingolstädter übernehmen. Doch während Artemis in der absoluten Oberklasse ansetzt, will Brandstätter mit Trinity im Volumensegment angreifen: Das schnittig-flache Fahrzeug, von dem es bisher nur eine verhüllte Grafik gibt, soll zwischen vier und fünf Meter lang werden und damit irgendwo zwischen dem ID.3 und dem geplanten Aero-B liegen. Und mit 35.000 Euro soll der Technologieträger nur wenig mehr kosten als der kompakte Stromer aus Zwickau.

"Audi setzt im Premiumsegment an. Wir skalieren die Technologie im Volumensegment", beschreibt Brandstätter die Arbeitsteilung. "Das sind zwei völlig unterschiedliche Aufgaben." Analyst Frank Schwope von der NordLB sieht darin aber auch eine versteckte Kampfansage an die aufstrebende Tochter in Ingolstadt, der Konzernchef Herbert Diess die Technologieführerschaft übertragen hat: "Das könnte auch ein Signal an Audi sein: Ihr müsst liefern, sonst liefern wir selbst."

Dass Brandstätter das Projekt schon jetzt verkünden konnte, hat er vor allem Betriebsratschef Bernd Osterloh zu verdanken. Denn eigentlich sollte die Entscheidung erst bei der nächsten Planungsrunde im kommenden November fallen. Auf seiner Sondersitzung kurz vor Weihnachten zog der Aufsichtsrat die Entscheidung dann überraschend vor. Um den erneuten Machtkampf zwischen Diess und dem Betriebsratschef zu schlichten, bekam Osterloh das von ihm seit Langem gefordert E-Modell für Wolfsburg.

Die Entscheidung hat Symbolkraft. "Der Volkswagen-Konzern verfolgt hier eine ähnliche Strategie wie die Wettbewerber aus München und Stuttgart", sagt Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen. "Es geht wohl unter anderem um ein Signal, dass die deutschen Hersteller in der Wiege des Automobils in der Lage sind, die Zukunft zu gestalten."

Bisher war das Stammwerk bei der von Diess eingeläuteten E- Offensive leer ausgegangen. Zwickau und Dresden wurden bereits auf Elektro umgestellt, Emden und Hannover sollen folgen, Wolfsburg baute weiter nur Verbrenner. Umso wichtiger sei jetzt der Trinity-Zuschlag, sagt Analyst Schwope. "Wolfsburg ist für VW das Vorzeigewerk. Gerade am Stammsitz braucht man ein wichtiges Projekt." Zumal der Golf VIII, der hier bisher das Hauptmodell ist, "nicht mehr die Volumina erreichen wird, die wir bisher gesehen haben".

Von den ursprünglich einmal geplanten eine Million Fahrzeugen ist das Werk schon jetzt weit entfernt. Im vergangene Jahr dürften es Corona-bedingt nur knapp 500.000 gewesen sein, sagt Osterloh. "Erst ab 700.000 kommen wir auf einen grünen Zweig." Der Trinity könnte hier nun für das zusätzliche Volumen sorgen. Nach Informationen der Automobilwoche werden 300.000 Fahrzeuge pro Jahr angepeilt. Schwestermodelle weiterer Konzernmarken wie Seat und Skoda könnten noch hinzukommen.

In Wolfsburg steht nun ein massiver Umbau an. Denn für das neue E-Modell will Brandstätter die Produktivität massiv erhöhen. "Mit einem radikal neuen Produktionsansatz machen wir Wolfsburg zum Aushängeschild für effiziente und voll vernetzte Produktion." Die Vorgaben von Konzernchef Diess sind ehrgeizig: Nur zehn Stunden soll die Produktion eines Autos dann noch dauern. Beim ID.3 in Zwickau, wo VW bereits massiv automatisiert hat, sind es derzeit noch 20 Stunden.

Maßstab ist hier erneut Tesla. "Wir werden zeigen, dass man nicht nur auf der grünen Wiese bei Berlin, sondern auch am Mittellandkanal innovative Elektroautos hoch effizient und wirtschaftlich bauen kann", merkt Brandstätter süffisant an. Und lässt keinen Zweifel daran, dass er mit der grünen Wiese bei Berlin das neue Tesla-Werk in Grünheide meint.

Diess legt auf Twitter nach: "Trinity wird Volkswagen revolutionieren. Es ist eine große Herausforderung für unseren traditionsreichsten und historischsten Standort, gegen eine grüne Wiese in Grünheide anzutreten. Aber wir nehmen die Herausforderung an."

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