Atlanta. Die Landkarte der amerikanischen Automobilwelt wird gerade neu gezeichnet: "Die Zeiten, in denen das Epizentrum der PS-Branche in Detroit und den Staaten des Nordwestens gelegen hat, sind vorbei", sagt Adam Herndon. Er ist Analyst bei der Consulting-Agentur Jabian in Atlanta und sieht seinen Heimatstaat Georgia als heißen Kandidaten, Detroit den Rang abzulaufen. Denn bereits jetzt seien in dem Staat im Südosten über 150.000 Ingenieure und Monteure bei knapp 300 Firmen im Autosektor beschäftigt. Allein in den vergangenen fünf Jahren seien in diesem Bereich fast 7000 Jobs geschaffen worden, argumentiert Herndon. Außerdem verlassen mehr als 20 Prozent aller Exporte aus dem Automobilsektor die Ostküste über die Häfen von Georgia.
Die aktuelle Nachrichtenlage bestärkt den Analysten. Porsche hat in Atlanta gerade für 100 Millionen Dollar eine neue Zentrale am "One Porsche Drive" eröffnet. Mercedes orientiert sich ebenfalls am Ray-Charles-Klassiker "Georgia on My Mind" und kehrt dem Norden den Rücken. Im Sommer haben die knapp 1000 Daimler-Mitarbeiter in New Jersey die Kisten gepackt und provisorische Büros in Atlanta bezogen, von denen sie bis 2018 in ein neues Headquarter wechseln wollen. Damit trägt Daimler nicht zuletzt der veränderten Infrastruktur in den USA Rechnung, begründet Vorstandschef Dieter Zetsche diesen Schritt: "Der Süden ist sehr viel bedeutender als in der Vergangenheit."
Georgia ist nicht der einzige Staat im Süden, dessen Bedeutung auf der amerikanischen Auto-Landkarte gewaltig wächst. Toyota hat in diesem Frühjahr angekündigt, die US-Zentrale von Torrance in Kalifornien nach Plano in Texas zu verlegen. Und Nevada gewinnt durch die Gigafactory für die Batterieproduktion von Tesla-Chef Elon Musk und die Ankündigung einer Ein-Milliarden-Dollar-Fabrik des ominösen Start-up-Unternehmens Faraday Future im Norden von Las Vegas an Bedeutung.
Doch den größten Zustrom hat derzeit offenbar South Carolina. In dem Staat, wo BMW in Spartanburg bereits seine Geländewagen baut und beinahe im Jahresrhythmus die Kapazitäten erhöht, hat Daimler im Frühjahr eine Fabrik für den Sprinter für 500 Millionen Dollar angekündigt. Volvo will dort ebenfalls für den gleichen Betrag sein erstes US-Werk bauen. "Das stärkt den ohnehin schon sehr vitalen Autosektor in South Carolina", urteilen die Analysten von Moody's. Während der Anteil der Autoindustrie am Bruttoinlandsprodukt der US-Staaten durchschnittlich bei 1,5 Prozent liegt, beträgt er in South Carolina laut Moody's schon 3,1 Prozent. South Carolina ist bereits größter Kfz-Exporteur des Landes. "Jedes Jahr werden allein über den Hafen von Charleston Fahrzeuge für über neun Milliarden Dollar verschifft", schreibt Moody's.