Riskantes Spiel

München. Das Auto steht verdeckt von einem Tuch, aber vorteilhaft ausgeleuchtet in der Halle. Der Kunde wird hereingeführt, bekommt einen Cappuccino. Schlüssel und Papiere werden übergeben, das Tuch zur Seite gezogen und ein Foto vom Kunden am Auto gemacht. Danach gibt es vielleicht noch eine Blume oder einen Liter Motoröl als Geschenk, bevor der Kunde einsteigt und zufrieden vom Hof fährt.

Bislang war das Neuwagenkunden vorbehalten. Doch die Zeiten haben sich geändert, denn das Geschäft mit Autos aus zweiter Hand hat bei der Inszenierung nachgezogen. Mittlerweile werden auch Gebrauchtwagen samt Cappuccino und Foto übergeben.

Schließlich werden auch immer mehr sehr junge Fahrzeuge angeboten. Im Fahrzeugbestand mag das Durchschnittsalter steigen, im Angebot auf einer großen Gebrauchtwagenbörse wie Mobile.de wächst der Anteil sehr junger Fahrzeuge. Inzwischen ist in manchen Monaten beinahe die Hälfte nicht mal drei Jahre alt.

Dahinter steckt die hohe Zahl an Eigen- und Herstellerzulassungen. Denn die meisten dieser Autos kommen noch im selben Jahr auf den Gebrauchtmarkt. „Man hat fast den Eindruck, dass die Hersteller ihr Geschäftsmodell geändert haben, von der Produktion von Neuwagen auf die Produktion von Gebrauchtwagen“, scherzt der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft, Willi Diez. Der Privatkunde werde zunehmend mit jungen Gebrauchten bedient.

Für den Handel sei das ein gutes Geschäft, sagt Diez. Auch bei so manchem großen Händler kommt es durchaus gut an. Burkhard Weller, Chef der Wellergruppe, wünscht sich nach eigenem Bekunden, „dass die Hersteller die Dienstwagenschiene weiter pflegen. Denn das ist eine ‚eigene Marke‘ und ermöglicht dem Handel auskömmliche Renditen.“ Auch Hans-Jürgen Persy, Chef der Löhr-Gruppe, lobt die Programme seiner Hersteller für junge Gebrauchte.

Doch nicht überall ist man glücklich mit den Aktivitäten der Hersteller im Gebrauchtwagenbereich, wie der Marken-Monitor zeigt. Dort lag die Zufriedenheit mit der Unterstützung durch den Hersteller im Gebrauchtwagenbereich zuletzt bei einer Schulnote von 3,43 – gerade noch befriedigend und 0,74 Notenstufen unter der Gesamtzufriedenheit.

Doch es gibt gewaltige Unterschiede zwischen den Marken. Bei VW, Audi, Mercedes oder BMW ist die Gebrauchtwagenzufriedenheit mit Noten zwischen 2,65 und 2,15 höher und fällt auch nicht so stark aus dem Raster. Es sind solche Marken, die starke Qualitäts-Gebrauchtwagenprogramme wie „junge Sterne“ nutzen.

Dass diese Programme auch Standards mit sich bringen, die Geld kosten, sind die Vorteile offenbar wert, zumal Hersteller wie VW dafür auch Unterstützungszahlungen leisten. Und Diez betont, dass es gerade um die Standards bei den Prozessen gehe, von denen der Handel auch profitiere. Um Qualitätschecks beispielsweise und darum, dass der Gebrauchtwagenkunde nicht wie ein Kunde zweiter Klasse behandelt werde. Schließlich könne ein Gebrauchter leicht teurer als ein kleinerer Neuwagen sein.

Letztlich seien die jungen Gebrauchtwagen für die Autoindustrie das, was Factory-Outlets für edle Modemarken sind, sagt Diez. Die Hersteller brauchten eben das Volumen. Doch er warnt auch: „Das Ganze funktioniert so lange, wie die jungen Gebrauchten im Markt schnell drehen.“ Problematisch werde es, wenn der Markt schwächer wird und die Autos länger stehen. Dann kämen nämlich auch die Restwerte unter Druck. Und das dürfte auch dem Handel nicht gefallen.