Motorenzwitter kommt in Fahrt

München. Im Motorenbau bahnt sich eine Revolution an: Schon in fünf Jahren soll ein gänzlich neuer Triebwerkstyp, eine Kombination aus Otto- und Dieselmotor, bei den ersten Autoherstellern in Serienfahrzeugen angeboten werden. Mit der Vorstellung des sogenannten Diesotto-Motors, in dem Benzin in bestimmten Lastbereichen kontrolliert zur Selbstzündung gebracht wird, machte Mercedes-Benz vor Kurzem mit dieser Technik den ersten Schritt in die Öffentlichkeit. Das Triebwerk soll annähernd die Effizienz eines Dieselmotors erreicht - ohne dabei Stickoxide (NOX) zu bilden.

Auch in der Abteilung Vorausentwicklung bei General Motors läuft ein solcher Motor. Dort wird er HCCI genannt, ein Kürzel für Homogeneous Charge Compression Ignition, zu deutsch: "homogene Kompressionszündung". GM testete den 2,2-Liter-Vierzylinder-HCCI auf ersten Proberunden im Saturn Aura, Opel im Schwestermodell Vectra.

Der HCCI-Motor startet konventionell mit Zündkerze, schaltet aber schon wenige Sekunden danach in den Selbstzünd-Modus um. Auch im Teillastbereich bis 3000 U/min und bis zu einer Geschwindigkeit von 90 km/h arbeitet der Motor nach dem Dieselprinzip. Wird mehr Leistung abgefordert, springt das System in den konventionellen Modus zurück. Noch macht sich der Übergang mit einem leichten Ruckeln bemerkbar. Auch die Akustik ändert sich. Und im HCCI-Modus läuft der Motor etwas härter. Bis zum Serienstart soll davon aber nichts mehr zu spüren sein.

Dass man überhaupt technisch in der Lage ist, den Verbrennungsprozess aktiv zu steuern, verdanken die Entwickler hauptsächlich den extrem hohen Rechenleistungen der Prozessoren. "Vor fünf Jahren hätten wir noch keine Chance gehabt, einen Motor auf diese Art und unter Alltagsbedingungen zu betreiben", sagt Uwe Grebe, Chef der Vorausentwicklung bei General Motors. Kernelement des HCCI-Motors, der über eine direkte, zentrale Benzineinspritzung und über variabel steuerbare Ventilhübe und Ventilöffnungszeiten verfügt, ist die "flammenlose" Verbrennung. Gewöhnlich breitet sich beim Entzünden des Kraftstoff-Luftgemischs eine Flammenfront ausgehend von der Zündkerze in den Brennraum hinein aus. Folge: Es entwickelt sich zuviel Hitze (bis über 2000 Grad) und zudem entstehen unerwünschte Stickoxide. Bei HCCI zünden die homogen im Brennraum verteilten Benzin-Luftteilchen dagegen überall gleichzeitig, sodass unzählige Mikroflammen abbrennen. Die Temperatur bleibt unter 1800 Grad, wobei fast keine Stickoxide entstehen. Zur Abgasnachbehandlung reicht so ein Dreiwege-Kat.

Verglichen mit einem normalen, ohnehin schon sparsamen Benzin-Direkteinspritzer, verbraucht der HCCI-Motor (180 PS, 230 Newtonmeter Drehmoment) noch einmal acht bis zehn Prozent weniger. Insgesamt soll der HCCI-Motor 80 Prozent der Effizienz eines Dieseltriebwerks erreichen, bei deutlich reduzierten Kosten. GM plant zusätzlich, ihn mit allen Benzinsorten und sogar mit dem Ethanol-Benzingemisch E85 zu "füttern".