Herr Geisler, der deutsche Autohandel klagt über notorisch geringen Renditen. Warum kauft Lei Shing Hong gerade hier 18 Autohäuser? Es gäbe doch rentablere Märkte.
Das mag sein. Aber Lei Shing Hong verfolgt mit dem Kauf zwei Ziele. Einmal, die eigene Internationalität zu erhöhen, um das Konjukturrisiko besser zu verteilen. Zum Anderen mögen die Märkte, in denen man derzeit aktiv ist, profitabler sein. Aber das sind alles Emerging Markets. Lei Shing Hong will lernen, wie man in reiferen Märkten agiert. Dafür wird auch bewusst die Profitabilität etwas hinten angestellt – solange man profitabel ist. So etwas machen zu können, ist ein Unterschied zwischen einem Handelshaus in privater Hand und einem Börsenunternehmen, das immer seine Aktionäre mit Dividenden bedienen muss.
Nur um zu lernen hätten doch auch die drei Standorte in Erfurt gereicht, die man schon Ende vergangenen Jahres gekauft hat.
Nein. Wenn man die Strukturkosten für den Aufbau einer Organisation in Deutschland in Kauf nimmt, muss man auch eine gewisse Größe haben. Der Trend geht ja zu großen Autohausgruppen, weil man so den Fixkostenblock der Verwaltung auf viele Standorte verteilen kann.
Kann man sich eine weitere Expansion in Deutschland oder Europa vorstellen?
Wir beobachten den Markt. Im Moment ist in Deutschland nichts akut. Aber bei Lei Shing Hong ist Internationalisierung angesagt. Wir haben in Australien dieses Jahr auch einen Betrieb dazu genommen und halten überall die Augen offen.
Nach Volumen ist weiterhin Lueg der größte Mercedes-Händler in Deutschland. Weltweit sind Sie die Nummer Eins. Wollen Sie diese Position auch hierzulande?
Wir haben das Bestreben, überall zu den Führenden zu gehören. Aber ob jetzt die Nummer eins oder Nummer zwei ist nicht entscheidend. Wir werden deswegen keinen Preiswettbewerb starten.
Was bedeutet der Einstieg in den deutschen Markt für die Rolle, die Lei Shing Hong für Daimler spielt?
Eine gewisse Nähe zum Hersteller ist sicher gut. Da fühlt man doch den Puls nochmal etwas besser und das hilft, wenn man weltweit tätig ist. Auch die Kommunikation ist vor Ort leichter zu halten als mit 10.000 Kilometern Entfernung.
Wer hat eigentlich wem den Kauf angetragen Sie Daimler oder Daimler Ihnen?
Sowohl als auch. Es gibt einen regen Austausch mit regelmäßigen Treffen. Lei Shing Hong hat ja doch eine gewisse Bedeutung für Daimler.
Man hört, dass es viele andere Interessenten für die ostdeutschen Häuser gegeben hat. War es schwierig, sich durchzusetzen?
Wir haben geboten und wir haben gewonnen. Es gab eine Aussage von Daimler, wie der Investor aussehen soll. Von der Bonität bis zum Fachwissen und ich denke mal, da hatte Lei Shing Hong keine schlechte Position.
Zwischen dem Kauf von Erfurt und den 15 weiteren Betrieben lag ein halbes Jahr. War Erfurt ein Test, ob man die anderen Häuser überhaupt haben will?
Wir haben das Angebot für die anderen Häuser erst nach dem Kauf von Russ & Janot in Erfurt abgegeben. Wir wollten erst mal sehen, wie sich das Ganze anlässt.
Wie lässt es sich denn an, in Erfurt?
Top, wir sind sehr zufrieden. Absatz und Werkstattauslastung entwickeln sich besser als erwartet.
Werden die Eigenmarken wie Russ & Janot beibehalten oder wird man die Namen Lei Shing Hong oder Stern Auto offensiver positionieren?
Lei Shing Hong mit Sicherheit nicht. Deswegen hat man auch die Stern Auto GmbH gegründet. Russ & Janot ist ein alteingeführter Betrieb. Er war zwölf Jahre bei Daimler und man hat den Namen nicht geändert. Wir haben das im Moment auch nicht vor. Die Niederlassungen heißen weiter Mercedes-Benz. Und Mercedes prüft, wie wir sie im Zusammenhang mit Niederlassungen genau nennen können. Der Name Stern Auto wird immer nur klein an der Tür stehen. So wie es jetzt ja auch ist. Da steht groß Mercedes-Benz und an der Tür der Eigentümer Daimler AG. Wir verkaufen schließlich Mercedes und nicht Stern.
Aber organisatorisch werden alle 18 Betriebe unter einem Dach zusammengefasst?
Nach dem Closing werden sie alle der Stern Auto gehören. Wir rechnen dafür mit rund einem halben Jahr. Die Standorte mit ihrem Personal bleiben natürlich alle erhalten. Ob die Führungsstruktur auch exakt so weiterbesteht, muss man sehen. Denn die Niederlassungen sind unselbständig und keine rechtlichen Einheiten. Ihnen fehlen gewisse Funktionen, um unabhängig agieren zu können. Das werden wir aufbauen müssen, um die Niederlassungen bei Daimler abzunabeln und in Stern Auto zu integrieren.
Das heißt Sie müssen auch Personal aufbauen?
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einige Arbeitsplätze entstehen.
Abgesehen von den übergeordneten Verwaltungsstrukturen, was ist die größte Baustellen bis zum Closing?
Ganz klar: Die IT. Wir können zwar an die Systeme von Daimler andocken, wie alle anderen Händler auch, aber wir brauchen ein einheitliches Dealer Management System. Das ist im Moment noch nicht gegeben. Wir sind derzeit auf der Suche, was da das sinnvollste ist. Dabei spielt es auch eine Rolle, wie groß der Schulungsaufwand ist.
Wie stark werden Sie als Geschäftsführer von Stern Auto operativ tätig sein?
Ich werde mit Sicherheit auf der Holding-Position bleiben und den Link zu Lei Shing Hong darstellen, als derjenige, der das Unternehmen gut kennt. Um genau zu sagen, wie die operative Führung und Struktur aussehen werden, ist es noch zu früh.
Was wird sich mit dem neuen Eigentümer ändern?
Wir haben kürzlich die gekauften Niederlassungen besucht. Die Leute hier kennen das Geschäft am besten. Im Grunde wird es also Business as usual geben. Am deutlichsten werden die Mitarbeiter den Verkauf daran merken, dass sich die E-Mail-Adresse ändert.
Was sind die größten Unterschiede zwischen dem asiatischen und dem deutschen Autohandel?
Asien ist extrem mehr serviceorientiert, wenn es um den Umgang mit dem Kunden geht. Und dort gibt es fast nur Neuwagengeschäft. Das ist auch einer der Gründe, warum man nach Deutschland kommt. Um Erfahrung im Gebrauchtwagengeschäft zu sammeln. Wir erwarten, dass hier ein Austausch beginnt. Denn wenn die schnell wachsenden Märkte reifer werden, beginnt das Gebrauchtwagengeschäft an Bedeutung zu gewinnen. Im Moment ist es in China noch weitestgehend vom Neuwagenhandel getrennt. Aber in Zukunft muss man es machen.
Werden dann Abordnungen aus China in die deutschen Betriebe kommen um Gebrauchtwagenhandel zu lernen?
Es wird sicher ein paar Besucher geben aber nicht nur aus China. Dabei wird es aber vor allem ums Kennenlernen gehen. Und so einfach ist das angesichts der Sprachunterschiede ja auch nicht. Für uns geht es jetzt erst Mal darum, den deutschen Betrieb unabhängig von Daimler zum Laufen zu bekommen. Und dann sehen wir weiter.
Lei Shing Hong war in Deutschland bislang weitgehend unbekannt. Wie würden Sie den Konzern in drei Sätzen charakterisieren?
Lei Shing Hong ist eine internationale Handelsgruppe mit Schwerpunkt im Automobilgeschäft. Die Eigentümerfamilie stammt aus Malaysia. Als Unternehmenssitz wurde vor rund 20 Jahren Hongkong aufgrund des dortigen Rechtssystems gewählt.
Warum verkauft Lei Shing Hong eigentlich nur Autos aus Baden-Württemberg? Neben Daimler noch Porsche, wenn auch in weit geringerem Ausmaß.
Das ist eine alte Verbundenheit. Vor 40 Jahren hat die Eigentümerfamilie schwere Mercedes-LKW in Malaysia gekauft und war der größte lokale Kunde für Mercedes. Daraus ist die Verbindung entstanden mit einer extrem hohen Loyalität bis heute.